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Endstation Nippes

Titel: Endstation Nippes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Strobl
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wütend. »Deine Scheißbullentante brauchste mir hier nicht mehr anzuschleppen.«
    Als es an der Tür schellte, hoffte ich einen Moment lang, es sei Tina Gruber. Es waren aber Hotte und Chantal. Chantal sah zum Gotterbarmen schlecht aus.
    »Haste das gehört mit dem Typ in der Laube?«, fragte Hotte.
    Ich nickte.
    »Was’n das jetzt?«
    Ich sagte ihm, ich hätte keine Ahnung. Ich sei mir aber hundertprozentig sicher, dass der Mann nicht der Mörder sei. So einen hätte die Grimme nicht in ihre Wohnung gelassen.
    Das habe er sich auch gedacht, bestätigte Hotte.
    »Warum sagen die dann, der wär’s gewesen?«, fragte Chantal.
    »Ich weiß es nicht, Süße. Da ist was faul. Aber ich bleib dran, okay? Wir kriegen die echten Täter. Ja?«
    Sie schielte zu meiner Zigarettenpackung, die auf dem Küchentisch lag, sagte aber nichts. Erst freute ich mich darüber, dann wurde mir plötzlich der Grund dafür klar.
    »Komm mal mit, Chantal«, sagte ich und ging in Richtung meines Arbeitszimmers vor. Sie schlurfte widerwillig hinter mir her. Ich schloss die Tür und lehnte mich an den Schreibtisch.
    »Was is?«
    »Ich weiß, warum du nicht mehr rauchst, Süße. Und ich will zwar nicht, dass du wieder damit anfängst, aber …« Ich wusste nicht, wie ich es ihr sagen sollte.
    »Aber was?« Sie war die fleischgewordene Aggression.
    »Aber Marco ist nicht abgehauen, weil du auf dem Balkon eine Kippe geraucht hast.«
    »Ich hab die Wäsche aufgehängt!«, schrie sie und stampfte so heftig auf, dass Rosa mit einem Satz auf das Bücherregal flüchtete.
    »Du hast eine Kippe geraucht. Und deshalb denkst du jetzt, du bist schuld dran, dass Marco tot ist. Das bist du aber nicht.«
    »Ey Alte, du laberst eine solche Scheiße, ey …«
    »Jetzt halt mal den Rand, ja?« Ich setzte mich auf den Schreibtischstuhl und zog ihr den Hocker ran. »Setz dich.«
    Sie blieb stehen. Starrte mich mit nackter Wut in den Augen an.
    Ich stand wieder auf und setzte mich auf den Boden. Sah zu ihr hoch.
    »Chantal, einer der Männer, die Marco missbraucht haben, ist möglicherweise ein Arzt. Das konntet ihr nicht wissen. Ihr habt nur gesehen, dass der Kleine unbedingt untersucht werden muss, dass er zum Arzt muss, dass seine Wunden behandelt werden müssen. Ja?«
    Sie setzte sich auf den Schreibtischstuhl. Hielt sich an den Armlehnen fest.
    »Und als es dann immer schlimmer mit ihm wurde, da hat dann Hotte gesagt: ›Jungchen, wir gehen morgen zum Arzt‹, ja?«
    Sie nickte kaum merklich.
    »Und deshalb ist der Marco abgehauen. Weil er solche Angst vor Ärzten hatte. Haben musste. Aber das konntet ihr nicht wissen. Und er wäre auf jeden Fall abgehauen. Er hätte genauso gut abhauen können, als du unter der Dusche warst oder aufm Klo. Weißte? Und dann ist er halt weg, als du gerade eine rauchen warst. Wenn du das nicht getan hättest, dann hätte er eine andere Gelegenheit genutzt. Aber er wäre auf jeden Fall weg.«
    Sie hatte die Augen geschlossen. Die Finger um die Armlehnen gekrampft.
    »Chantal?«
    Sie öffnete kurz die Augen und nickte. Dann rannen ihr die Tränen über die Wangen. Ich ging zu ihr hin und nahm sie in die Arme. Sie ließ es geschehen. Ich hielt sie und wiegte sie, hielt sie, wiegte sie. Irgendwann machte sie sich von mir los und sagte mit einem schiefen Grinsen: »Gibste mir ‘ne Kippe?«
    »Nö, komm, bleib jetzt dabei. Rauchen in deinem Alter ist wirklich total ungesund.« Ich seufzte. »Ist es sowieso. Ich hör auch auf.«
    »Wie? Wann?«
    Damit brachte sie mich schwer in die Bredouille.
    Hertha und Hotte sahen uns fragend an. Ich brauchte allerdings nichts zu sagen, denn mein Handy klingelte. Ohne Vollmacht, sagte Paul, könne er den Mann nicht vertreten.
    »Dann besorg dir eine!«, fauchte ich und bereute es sofort. Paul konnte nun wirklich gar nichts dafür. Ich entschuldigte mich. Und dann sagte mein großer Bruder, der sonst keine Gelegenheit auslässt, mich zurechtzuweisen:
    »Lass mal, ich versteh dich gut. Kannst du deine Kommissarin fragen, ob sie dem Mann einen Anwalt besorgt haben?«
    »Ja, wenn ich sie erreiche. Ich komme seit gestern nicht mehr an sie ran.«
    »Dafür gibt es garantiert einen Grund«, knurrte Paul.
    Manchmal liebe ich meinen Bruder. Als alter Revoluzzer hat er ein gesundes Misstrauen gegen unsere Freunde und Helfer.
    Ich versuchte es erneut bei Tina. Sagte ihr auf die Mailbox: »Mein Bruder will euren Verdächtigen verteidigen. Besorg ihm eine Vollmacht. Oder den Namen des Pflichtverteidigers,

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