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Endstation Nippes

Titel: Endstation Nippes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Strobl
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wenn ihr ihm einen verpasst habt. Und wenn du das nicht tust, Tina Gruber, dann brauchst du dich bei mir nicht mehr zu melden. Und zwar nie wieder.«
    Eine halbe Stunde später rief Paul an: »Ich habe ein anonymes Fax erhalten, mit dem Namen eines Kollegen drauf und sonst nichts. Hast du …«
    »Ja«, sagte ich nachdenklich.
    »Gut, dann setze ich mich mal mit dem Kollegen in Verbindung.«
    Ich brachte gerade Hertha auf Stand, als ich eine SMS von Paul bekam: »Bin auf dem Weg nach Kalk. Er ist noch im PG .«
    »Der Typ aus der Laube ist noch im Polizeigewahrsam«, klärte ich Chantal, Hotte und Hertha auf. »Paul fährt jetzt zu ihm.«
    »Wie wär’s mit was zu essen?«, fragte Hertha.
    Niemand hatte Einwände. Als ich meine Tür abschloss, sagte Hotte: »Ich soll dich von der Nele grüßen. Ich hab ihr kurz erzählt, dass du auf Mörderjagd bist. Sie meinte, du sollst dir kein’ Stress machen wegen Anrufen und so.«
    »Wie geht’s ihr denn?«, fragte ich beschämt, denn ich hatte sie glatt vergessen.
    »Gut«, lachte Hotte. »Sie hat sich tierisch über die ganzen Russen aufgeregt, die grade da sind. Aber sie hat ‘ne nette Frau aufm Zimmer, ‘ne Exkollegin.«
    Hertha hatte sich nach dem Essen hingelegt, Hotte und Chantal waren nach Hause gegangen, ich setzte mich an den Schreibtisch. Rief als Erstes Frau Lanzing auf dem Handy an.
    »Ach Sie …«, sagte sie gedehnt. Sie klang, als sei sie betrunken.
    »Frau Lanzing, ich muss mit Ihnen reden. Wann können wir uns sehen?«
    »Tja«, meinte sie schnippisch, »da müssen Sie eben vorbeikommen. Ich bin in Merheim.«
    »In Merheim?«, fragte ich betröppelt.
    »Station 34. Bis acht Uhr abends ist Besuchszeit.«
    Jetzt wusste ich, wie sie klang: sediert.
    »Was ist passiert?«
    »Das fragen Sie mich ?« Sie lachte bitter.
    »Ich meinte: Was ist Ihnen passiert?«
    »Ich hatte einen Nervenzusammenbruch. Da bin ich nicht die Erste in meiner Branche.« Hämisches Kichern. Sie wirkte gleichzeitig aufsässig und komplett neben der Spur.
    »Dann mache ich mich jetzt gleich auf den Weg, ist das für Sie okay?«
    »Aber ja doch. Und bringen Sie ruhig ihr Aufnahmegerät mit.«
    Ich war platt. Raste los, damit ich da war, bevor die Wirkung der Tabletten oder was auch immer man ihr gegeben hatte, nachließ.
    In der 1 informierte ich Paul per SMS , dass ich eine Weile nicht zu erreichen wäre, ich würde mich später bei ihm melden. In Merheim lief ich erst mal kreuz und quer über das Gelände, bis ich endlich Station 34 fand. Frau Lanzing saß angezogen auf dem Bett.
    »Lassen Sie uns in die Cafeteria gehen«, schlug sie vor und wankte los, ohne eine Antwort abzuwarten.
    Wir fanden einen Tisch, der ein wenig abseitsstand. Ich holte uns Kaffee, Kuchen mochte sie keinen. Mir war auch nicht danach. Ich wollte dieses Gespräch so schnell wie möglich hinter mich bringen. Die ganze Umgebung flößte mir Unbehagen ein, Psychiatrien machen mir Angst, seit ich einmal von einem Trip fast nicht mehr runtergekommen bin und beinahe in einer gelandet wäre. In der Cafeteria saßen nicht viele Leute, ein paar Pfleger, die an ihren Kitteln erkennbar waren, und eine Handvoll »Zivilisten«. Ich hätte nicht sagen können, ob sie Patienten, Ärzte oder Besucher waren.
    Frau Lanzing sah erschöpft aus, sie war ungeschminkt, was sie fast hässlich machte, und da war auch noch diese unterschwellige Wut. So als hielten die Medikamente mühsam einen brodelnden Vulkan unter Kontrolle.
    »Sie hassen mich, nicht wahr?«
    Das kam so unvermittelt, dass ich sie erst mal nur erstaunt anstarrte.
    »Nun ja. Ich habe veranlasst, dass ein Kind gefoltert und ermordet wurde. Oder vielleicht sogar zwei Kinder.«
    »So würde ich es nicht sehen. Sie haben …«
    »Sagen Sie mir nicht, was ich getan habe.«
    Ich konzentrierte mich auf meinen Kaffee. Rührte den Zucker darin um, der sich längst aufgelöst hatte. Nahm einen Schluck. Stellte die Tasse ab. Sah die blasse, gealterte, angespannte Gestalt an, die mir gegenübersaß und ihre Nagelhäute malträtierte.
    »Wollen Sie ihr Gerät nicht auspacken?«
    Ich verkniff mir zu sagen, dass es in der Cafeteria zu viele Nebengeräusche gab, dass ich die Aufnahme lieber in ihrem Zimmer machen würde oder an sonst einem ruhigen Ort. Nimm, was du kriegst, Leichter, ermahnte ich mich und baute auf. Kaum hatte ich das Mikro angestellt, legte sie auch schon los.
    »Ich habe mich von ihr einwickeln lassen wie eine dumme blutjunge Anfängerin. Gute Wohngegend, schöne

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