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Endstation Nippes

Titel: Endstation Nippes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Strobl
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irgendwie verzerrt.
    »Wir haben den Mörder«, sagte sie schließlich zur Tischplatte. »Und er hat sich selbst gerichtet. Der Fall ist gelöst.«
    »Das heißt, ich kann direkt wieder gehen?« Ich stand halb auf.
    »Setz dich«, zischte sie. »Wir haben Marco im Gebüsch an der Bahnüberführung gefunden. Ein paar Meter weiter lag ein Kinderfahrrad. Marco war bei Mansfeld in der Laube. Daran gibt es keinen Zweifel. Wir haben die Aussagen von Nachbarn, die Marco bei Mansfeld gesehen haben. Wir haben überall Marcos Fingerabdrücke gefunden, Haare, alles, was du willst. Auch auf dem Kinderfahrrad sind Mansfelds Fingerabdrücke.« Sie hielt inne und sah mich an.
    »Und?«
    »In der Vernehmung hat Mansfeld gesagt: ›Ich habe jetzt zwei Kinder auf dem Gewissen.‹ Wörtlich. Ich habe ihn gefragt, was er damit meint. Aber es war das Einzige, was er überhaupt gesagt hat. Wir gehen davon aus, dass er damit das Mädchen aus dem Rhein und Marco meint.«
    »Wir?«
    Sie schlug die Augen nieder.
    »Und wer hat die Grimme umgebracht?«
    »Marco.«
    »Bitte?«
    »Hast du eine Zigarette?«
    »Nein.«
    »Katja, bitte.« Sie klang, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. Ich schmiss ihr die Packung hin. Lejlan kam mit den Getränken und einem Aschenbecher. Tina trank ihren Wein in einem Zug aus und orderte ein neues Glas. Als Lejlan wieder außer Hörweite war, zündete sie sich die Zigarette an, nahm einen tiefen Zug und sagte dann leise: »Marco war als Stricher unterwegs. Er hat angeschafft. Grimme ist ihm dahintergekommen. Sie wollte ihn zurück in das Heim schicken. Daraufhin hat er sie umgebracht.«
    Ich holte Luft, aber sie winkte ab. »Als Grimme ihm dahintergekommen ist, hatte sie die Idee zu einem Roman über Kinderprostitution. Sie hat auch Kurzgeschichten geschrieben.«
    »Sagt wer?«
    »Ihr Mann. Für den Staatsanwalt ist der Fall gelöst. Die Akte ist geschlossen.«
    Lejlan brachte Tinas zweites Glas Wein und das Essen. Sie schob es von sich weg.
    »Magst du?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Katja, ich habe ein paar Jahre bei der Sitte gearbeitet. Da hatte ich jeden Tag mit Strichern zu tun. Marco war keiner.«
    »Mir musst du das nicht sagen.« Ich trank einen Schluck von meinem Bier. Versuchte, das Durcheinander in meinem Kopf zu sortieren. »Als die Grimme ermordet wurde«, wandte ich mich wieder an Tina, »da war Marco schon gar nicht mehr bei ihr. Da war der längst abgehauen.«
    Sie lächelte zynisch. »Das sagst du, Katja.«
    »Und Hotte und Nele.«
    »Eine heroinabhängige Prostituierte, die mit der Mutter des Jungen befreundet war. Und der Großvater des Jungen, der ein mehrfach vorbestrafter Krimineller ist. Und das Kind dem Jugendamt entzogen hat.«
    Ich verkniff mir zu sagen, dass Hotte nicht Marcos Großvater war. Das hätte die Sache auch nicht besser gemacht.
    »Die Gegenseite – um das mal so zu nennen – hat durchaus Argumente, Katja. Auch wenn sie uns nicht einleuchten.« Tina schob ihren Vorspeisenteller an sich ran und dann wieder von sich weg. »Ich habe mit meinem Vorgesetzten gesprochen. Der denkt immer noch, Völcker – das ist der Staatsanwalt – pfuscht ihm rein, weil er schwul ist. Völcker hat wohl zu ihm gesagt, er solle mal darüber nachdenken, ob er in einem Fall, in dem es um sexuelle Perversionen geht, wirklich unvoreingenommen ist. Überleg mal!«
    Sie sah sich kurz um, aber niemand achtete auf uns. »Das Problem ist«, fuhr sie fort, »Alex, also mein Vorgesetzter, lässt sich davon völlig einschüchtern. Er wehrt sich nicht, er versucht nicht, sich durchzusetzen. Und er blockiert mich mit. Er lässt mich nicht machen. Und das versteh ich nicht. Ich versteh’s einfach nicht!«
    Sie rieb sich die Augen, die ohnehin schon rot waren. Vor Müdigkeit vermutlich.
    »Hast du in den letzten vierundzwanzig Stunden auch mal geschlafen, Tina Gruber?«
    »Nö.« Sie hörte auf, ihre Augen zu misshandeln, und beugte sich zu mir vor: »Hör mal, ich hab manchmal echt Schiss, dass der Völcker ihn erpresst. Dass der etwas weiß über Alex.«
    »Was denn?«
    »Keine Ahnung, dass er es mit jugendlichen Strichern treibt oder so was. Das wär der Horror, Katja. Weil der ist gut, der Alex. Ich mag den. Der ist fair. Und kompetent. Wenn da jetzt so was rauskäme, ich … ich würd die Welt nicht mehr verstehn.«
    »Muss ja nicht. Er ist schwul, und er ist Polizist. Das reicht doch, um ihn immer noch zu verunsichern.«
    »Ja, aber nicht hier, in Köln! Was meinst du, wie viele Schwule und

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