Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Endstation Nippes

Titel: Endstation Nippes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Strobl
Vom Netzwerk:
sauer.
    »Wir haben Sachen aus der Wohnung«, dachte sie laut nach. »Ich habe damals alles Mögliche mitgenommen, vor allem aus dem Badezimmer, aber auch aus dem Kinderzimmer. Das könnte ich jetzt abgleichen lassen …«
    »Wenn es noch da ist.«
    »Jetzt mach mal ‘n Punkt.«
    »Und dann versuch mal, rauszukriegen, wo der Vater und der Bruder von der Grimme stecken.« Ich berichtete ihr von meiner vergeblichen Telefon- und Internet-Recherche. Die Kambodscha- und die Nepal-Geschichte behielt ich erst mal für mich. Da konnte sie vermutlich ohnehin nicht viel unternehmen. Oder doch, fiel mir ein.
    »Und recherchier mal, ob ein van Maarsen in Kambodscha oder Nepal mit dem Gesetz in Konflikt gekommen ist.«
    »Warum?«
    »Erzähl ich dir ein andermal.«
    »So. Und was willst du unternehmen?«
    »Du musst mir sagen, wo die Grimme wohnt. Ich will ihren Herrn Gemahl ein bisschen im Auge behalten.«
    Sie gab mir die Adresse. Herderstraße in Lindenthal.
    »Na, die Damen?«
    Wir schraken hoch wie zwei Verschwörerinnen. Waren wir ja irgendwie auch. Stefan zog sich einen Stuhl ran und setzte sich zu uns. Er sah erschöpft aus und stank nach kaltem Rauch.
    »Was ist passiert?«, fragte ich und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
    »Wir haben schon wieder einen Toten.«
    »Überdosis?«
    Er schüttelte den Kopf. »Schlechter Stoff. Total verdreckt.«
    »Ich lass euch dann mal«, sagte Tina und stand auf. »Du hast meine … äh … andere Nummer?«
    »Ja«, erwiderte ich, »setz dich noch mal kurz hin.« Ich schrieb ihr meine Fake-Adresse bei Webmail auf den Bierdeckel. Brach ihn in der Mitte durch und hielt ihn ihr hin. »Du hast doch sicher auch so was?«
    Sie grinste. »Noch nicht. Aber du kriegst bald eine Mail, Ramona .«
    Wir sahen ihr nach. Sie bezahlte am Tresen und verschwand, ohne sich noch einmal umzublicken.

SIEBZEHN
    Grete Lehner sah schlecht aus. Ich sagte ihr, wie leid es mir tue und dass Paul rechtliche Schritte einleiten würde. Das wisse sie bereits, erwiderte sie, aber es habe keinen Sinn: »Otto hat das getan, weil er sich schuldig fühlte. Dass man ihn zu einem Kinderschänder gemacht hat, das hat ihn sicher sehr getroffen und seine Verzweiflung vielleicht verstärkt. Aber wissen Sie, Otto trauerte seit Jahren um seinen kleinen Sohn. Und nun hat er gedacht, er sei auch schuld am Tod« – sie wandte sich Chantal zu – »deines Bruders. Weil er ihn nicht genügend beschützt hat oder warum auch immer. Ich weiß es nicht. Man sieht in einen Menschen nicht hinein.«
    Chantal nickte abwesend. Sie hibbelte auf ihrem Stuhl und hielt Sunny auf dem Schoß fest.
    »Und nun zu dir«, sagte Grete mit einem freundlichen, aber erschöpften Lächeln. »Wie ich sehe, hast du Sunny schon adoptiert.«
    Chantal nickte mehrmals und drückte Sunny noch fester an sich.
    »Weißt du denn, was das bedeutet, einen Hund zu haben? Ihn zu versorgen?«
    Chantal sah mich hilfesuchend an. »Äh, ja, der Opa hat im Tierladen gefragt, was man so Welpen so gibt und so. Und dann hat er das gekauft. Und ich geh immer raus mit ihm, wenn er Pipi muss und so.« Sie legte die Stirn in Falten, dachte angestrengt nach wie bei einer Prüfung. »Ach so, ja, und ich geh mit ihm spazieren!«, verkündete sie schließlich, erleichtert, dass ihr das eingefallen war.
    »Kannst du ihn denn auch erziehen?«
    »Wie, erziehen?«
    »Sie gehen mit ihm in die Hundeschule, sobald er dafür alt genug ist«, erklärte ich hastig und bekam einen Dich-habe-ich-nicht-gefragt-Lehrerinnenblick von Grete Lehner.
    »Kann dein Opa denn eine Hundeschule bezahlen? Und den Tierarzt? Die Impfungen? Die Hundesteuer?«
    Chantal schwankte zwischen Verzweiflung und Wut. Bevor sie womöglich à la »Ey, laber, Alte …« loslegte, sagte ich: »Die Hundeschule bezahle ich, den Tierarzt zur Not auch. Alles Übrige kann Herr Schulz sich leisten. Auch die Hundesteuer.«
    Wieder der strafende Lehrerinnenblick.
    »Und«, fügte ich hinzu, »die Punks, von denen Sunny stammt, sind auch nicht grade mit Geld gesegnet.«
    »Deshalb haben sie ihn ja auch abgegeben.«
    »An einen Penner. Der von Hartz IV gelebt hat.« Stopp!, mahnte ich mich, es geht jetzt nur darum, dass Chantal den Hund behalten kann.
    Ich wollte mich gerade entschuldigen, da sagte Chantal leise: »Der Marco hat den Sunny gehabt. Kann ich den bitte behalten?«
    Sie sah Grete Lehner unverwandt an. Minutenlang, so kam es mir wenigstens vor. Sunny begann zu fiepen. Er legte sich anders in Chantals Schoß zurecht und

Weitere Kostenlose Bücher