Endstation Nippes
merklich. Jetzt war ich in der Bredouille. Wenn dieser Gorowski koscher war – super. Wenn nicht, gnade Gott uns allen. Warum vertraute ihm Paul? Mein großer Bruder hat Häuser besetzt, sich in Straßenschlachten mit den Bullen geprügelt, jede Menge Radikalinskis verteidigt, er vertritt Asylbewerber und illegale Flüchtige – wenn er jetzt mit einem Oberstaatsanwalt klüngelte, dann musste er dafür handfeste Gründe haben. Trotzdem. Alle meine Versuche, den Mördern von Marco und Tamara das Handwerk zu legen, waren hinfällig, wenn Paul sich in dem Mann täuschte.
Ich sah, wie die beiden Blicke tauschten. Gorowski nickte.
»Katja«, sagte Paul leise, »ich habe Dr. Gorowskis Tochter verteidigt.«
»Meine Tochter«, ergriff Gorowski nun das Wort, »hat Drogen genommen. Und … schreckliche Dinge angestellt. Bis man sie verhaftet und Anklage erhoben hat. Die Anwälte, an die ich mich gewandt habe, wollten ein forensisches Gutachten erstellen lassen und sie für psychisch krank erklären. Sie war aber nicht psychisch krank. Oder nur in dem Sinne, dass sie süchtig war. Ihr Bruder hat schließlich ihre Verteidigung übernommen. Und eine Bewährungsstrafe für sie erreicht. Und« – er sah zu Paul hin, der eine abwehrende Bewegung machte – »Ihr Bruder hat sich geweigert, aus dem Fall Geld zu schlagen. Ein Boulevardblatt bot ihm einiges für die Geschichte an. Und er hat abgelehnt.«
»Ja, klar«, rutschte es mir heraus.
»Für Sie ist das vielleicht klar«, erwiderte Gorowski. »Jedenfalls hat Ihr Bruder etwas gut bei mir. Aber das ist nicht der Hauptgrund, warum ich mich für diesen Fall interessiere. Denn wenn Dr. Völcker tatsächlich in etwas Übles verstrickt ist, dann muss man sofort etwas unternehmen.«
Ganz wurde ich aus seiner Geschichte nicht schlau, aber irgendwie klang es plausibel. Also holte ich tief Luft und fing ganz von vorn an: damit, wie mich Marco am Bahnhof angesprochen hatte. Als ich gerade erzählte, wie ich Grimmes Notizbuch gefunden hatte, klingelte mein Handy. Ich wollte es ausstellen, sah aber, dass Stefan dran war. Bat ihn, schon mal in meine Wohnung zu kommen und auf mich zu warten.
»Dann gehe ich lieber zu Hertha«, erwiderte er, »da kriege ich wenigstens etwas zu essen.«
Sei dir da mal nicht so sicher, dachte ich. Hertha baute gerade ziemlich ab. Ich machte mir ernsthafte Sorgen um sie.
»Grimmes Notizbuch«, holte mich Paul ins Hier und Jetzt zurück.
Ich berichtete weiter. Gorowski machte sich Notizen. Zwischendurch hörte er auf zu schreiben und starrte mich schockiert an. Als ich fertig war, lehnte er sich erschöpft zurück.
»Danke, Frau Leichter. Vielen Dank.«
»Und jetzt?«, fragte ich.
»Jetzt werde ich sehen, ob ich auf – äh – informellem Weg – Einsicht in die Personalakte von Dr. Völcker nehmen kann. Und dann würde ich gerne die Dienstaufsicht beim Leitenden Oberstaatsanwalt informieren. Dafür brauche ich aber noch mehr … Handfestes.«
Wer sagt’s denn. Ich würde demnächst einen Einbruch im Auftrag eines Oberstaatsanwalts machen. Cool, ey.
Wir tauschten unsere Karten aus. Als Gorowski ging, sah er um Jahre älter aus. Ich fragte Paul, warum er diesem Mann – einem Staatsanwalt! – so blind vertraute.
»Das ist kein blindes Vertrauen, Katja«, erwiderte er. »Ich habe mit Gorowski schon öfter als Nebenkläger in Missbrauchsfällen zusammengearbeitet. Da war der knallhart. Die Typen hatten nichts zu lachen.« Er nickte anerkennend. »Ihre Verteidiger auch nicht. Und Gorowski ist mit seiner Klage immer durchgekommen. Und mit dem Strafmaß, das nicht grade ohne war.«
»Das heißt also, er wird sich ernsthaft dahinterklemmen?«
»Also ich«, antwortete Paul mit einem süffisanten Gesichtsausdruck, »möchte jetzt nicht in Herrn Dr. Völckers Schuhen stecken.«
Stefan lag auf meinem Sofa, meine Kopfhörer an den Ohren, meine Katze auf dem Bauch und eine Tüte mit meinem kostbaren Dope in der Hand.
Ich rüttelte ihn unsanft und zog ihm die Phones vom Kopf. »Schön, dass du dich so zu Hause fühlst.«
Er blinzelte mich irritiert an. »Auch schon da?«
»Werd bloß nicht frech!« Ich stieß ihn in die Seite und versuchte, mich neben ihn zu legen. Seit ich Rückendeckung von Mr. Oberstaatsanwalt hatte, besserte sich meine Laune deutlich.
»Huuuuunger!«
»Das kommt vom Kiffen.«
»Das kommt, wenn ein Mann den ganzen Tag hart arbeitet und seine Frau am Abend auf Jück ist, anstatt ihm das Essen auf den Tisch zu stellen.«
»Meine
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