Endstation Oxford
werden feststellen, dass ich gar keine Lotterielose habe.«
»Da hast du wohl recht.«
Kate drückte bereits auf die Klingel.
Esmée Livingstone kam an die Tür. Sie sah aus wie eine ältere Version ihrer Tochter und wirkte ebenso beeindruckend.
»Ja, bitte?«
»Guten Tag. Erinnern Sie sich an mich? Wir kennen uns von Estelles Hochzeit.«
»Ich fürchte, nein.« Sie verkleinerte den Türspalt.
»Mein Name ist Kate Ivory. Ich bin eine von Estelles Autorinnen und würde gern kurz mit Ihnen sprechen.«
»Worüber?«
»Darüber, dass Estelle nicht aufzufinden ist.«
»Für Sie?«
»Für mich und für alle anderen Autoren.«
»Vielleicht will sie einfach nur nicht mit Ihnen sprechen.«
»Oh, ich bin mir ganz sicher, dass das nicht der Fall ist. In ihrer letzten E-Mail schrieb sie mir, dass sie mein neues Manuskript unbedingt so bald wie möglich mit mir diskutieren wolle. Ich erwartete ihren Rückruf am Montag, dem zwölften.«
»Eine solche Verspätung sieht Estelle tatsächlich nicht ähnlich.«
»Genau das denke ich auch.«
»Und wer ist der junge Mann da hinter Ihnen?«
»Er ist ein Freund und hat mir beim Kartenlesen geholfen.«
»Warum bleibt er dann nicht einfach im Auto?«
»Weil er ausgesprochen intelligent ist. Ich halte viel auf seine Meinung.«
Craig, der sich große Mühe gab, intelligent dreinzublicken, trat neben Kate und streckte die Hand aus. »Craig Jefferson.«
Esmée übersah seine Hand, trat aber beiseite und ließ Kate und Craig ins Haus.
»Mein Mann ist gerade im Garten und harkt die letzten welken Blätter vom Rasen«, erklärte Esmée. »Wenn ich um Hilfe rufe, ist er im Handumdrehen hier.« Also kein Gärtner, dachte Kate.
»Meine Güte, wir wirken doch hoffentlich nicht derart bedrohlich«, meinte Craig und fasste sich an seine Brille, als wolle er demonstrieren, wie harmlos er sei.
»Und Sie heißen auch wirklich Craig und nicht etwa Todd?«
»Dessen bin ich mir hundertprozentig sicher.« Er klang ausgesprochen gekränkt, dass man ihn für einen Todd hielt.
Esmée ging ihnen voraus in ein hübsches, ganz in Chintz ausgestattetes Wohnzimmer. Französische Fenster gaben den Blick auf die Rasenfläche frei. In der rechten hinteren Ecke stand Matthew Livingstone und harkte Blätter zusammen.
Kate und Craig setzten sich auf ein Sofa, Esmée nahm ihnen gegenüber Platz. Seitlich von ihnen brannte ein Kaminfeuer. Gleich nimmt sie ein Silberglöckchen und läutet, dachte Kate. Und sofort kommt jemand und bringt ein Tablett mit Tee und Sandwiches.
»Nun?«, fragte Esmée gespannt.
»Seit über einer Woche versuche ich vergeblich, Estelle zu erreichen. Ich habe es sowohl bei ihr zu Hause als auch im Büro probiert, E-Mails geschickt und eine Nachricht auf ihrem Handy hinterlassen. Ich war auch bei ihr zu Hause und habe mit Peter gesprochen …«
»War er nüchtern?«
»Nicht ganz.«
»Hat er irgendetwas Vernünftiges von sich gegeben?«
»Nicht wirklich. Ich hatte den Eindruck, dass er nicht ganz ehrlich war.«
»Estelles Wahl geht mich im Grunde nichts an, aber ich hätte mir gewünscht, dass sie nicht ausgerechnet in die Familie Hume einheiratet.«
Ist das reiner Snobismus oder steckt mehr dahinter?, überlegte Kate. »Ich dachte immer, die Humes wären eine sehr respektable Familie. Ist Peters Bruder nicht Anwalt?«
»Respektabel? Nur, wenn man sie nicht kennt!«
Kate und Craig antworteten nicht, sondern hofften, Esmée würde fortfahren.
»Er ist ein Spieler«, vertraute Esmée ihnen an. »Ich glaube, er ist süchtig.«
»Wer? Peter?«, fragte Kate.
»Nein, Myles. Peter hilft ihm immer wieder aus der Patsche, wenn die schweren Jungs mit den Baseballschlägern kommen und ihr Geld haben wollen.« Esmée schien stolz darauf zu sein, dass sie eine derart saloppe Ausdrucksweise beherrschte. »Alles begann damit, dass der Vater der beiden Jungen sehr früh starb und ihre Mutter sie fortan nach Strich und Faden verzog. Vor allem Myles. Später erwarteten sowohl Myles als auch Pamela, dass Peter für sie sorgen würde. Ich glaube, Peter ist von Natur aus ein sehr weichherziger Mensch.« Aus Esmées Mund klang es, als wäre dies ein ärgerlicher Charakterfehler. »Aber die permanente Unterstützung hat ihnen keineswegs gutgetan. Myles hätte heute vielleicht ein Rückgrat, wenn er sich nicht so viele Jahre auf seinen Bruder verlassen hätte. Und die Mutter ist einfach nur ein hoffnungsloser Fall und völlig unorganisiert.«
Kate hoffte auf mehr Informationen. »Was
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