Endstation Oxford
er die Zeitung holen und fand das Haus bei seiner Rückkehr leer vor?«
»Darüber hat er nichts gesagt, aber wir sollten ihn unbedingt danach fragen. Ich hatte den Eindruck, dass er fast den ganzen Tag unterwegs war.«
»Sie wollen ihn noch einmal besuchen?« Craig sah bei dieser Vorstellung alles andere als glücklich aus.
»Aber ja!«
Craig wandte sich wieder seinen Notizen zu. »Estelle verließ das Haus mit einem Mann – mit oder ohne ihr Einverständnis – und wird jetzt seit sechs Tagen vermisst. Vor zwei Tagen, am 14. Januar, rief gegen Mittag jemand bei Peter an. Möglicherweise handelte es sich um den Mann, mit dem Estelle weggegangen ist. Dieser Mann war der Meinung, dass Estelle schon wieder zu Hause wäre, nachdem sie früh morgens aus seiner Wohnung aufgebrochen war.«
»Wenn er bis zu dem Anruf viereinhalb Stunden gewartet hat, kann sich seine Wohnung nicht in London befinden, oder?«
»Was sagte Peter, als Sie ihn nach dem Anrufer fragten?«
»Nur, dass es ein Mann war und dass Estelle morgens aufgebrochen sei und sich auf dem Heimweg befinden müsse. Und außerdem, dass sie etwas mit ihm zu bereden hätte.«
»Was mag das wohl gewesen sein?«
»Er wollte sich nicht dazu äußern, aber irgendwie bin ich der Überzeugung, dass es etwas mit Büchern zu tun hat. Vielleicht sogar nur mit einem einzigen Buch.«
Craig kaute auf seinem Stiftende herum. »So unwahrscheinlich es auch scheinen mag: Hier liegen offenbar zwei voneinander unabhängige Entführungen vor, falls Entführung überhaupt der richtige Ausdruck ist. Die erste dauerte von Samstag bis Mittwochmorgen, die zweite fand statt, als Estelle die Wohnung des Mannes verließ.«
»Ich denke, der Anrufer war der Meinung, dass Peter etwas erworben oder vielleicht sogar gestohlen hat, das eigentlich ihm gehört. Es muss etwas Wertvolles sein. Möglicherweise ein Buch, denn Peter handelt mit Büchern.«
»Hört sich vernünftig an.«
»Auf Peters Couchtisch lagen Wellpappe und Packpapier.«
»Aber Sie sagten ja, dass er mit Büchern handelt.«
»Außerdem lag da noch ein Brief, den er schnell fortnahm, als er sah, dass ich …«
»Ihn las?«
»Unabsichtlich in seine Richtung blickte.«
»War er interessant?«
»Ich kam nicht über den ersten Absatz hinaus. Er stammte von Adela Carston, einer alten Freundin von Estelles Vater, die bei der Hochzeit an Jons und meinem Tisch saß. Sie erinnerte Peter in diesem Brief daran, dass sie an jenem Nachmittag miteinander geplaudert hatten. Und zwar über Bücher .«
»Eine eher dünne Verbindung zu Estelle.«
»Aber wir kommen immer wieder auf dieses Thema zurück. Peter und Bücher. Estelle und Bücher. Verpackungsmaterial und Bücher.«
»Mittelklassebürger mit Regalen voller Bücher«, meinte Craig.
»Auf dem Tisch lag eine aufgeschlagene Zeitung. In einem Artikel, der zu sehen war, ging es ebenfalls um Bücher«, erinnerte sich Kate. »Peter schimpfte über Journalisten, während er die Zeitung zusammenfaltete und weglegte.«
»Wissen Sie, um welche Zeitung es sich handelte?«, fragte Craig.
»Ich bin mir nicht ganz sicher. Vermutlich die Times oder der Independent .«
»Möglicherweise auch der Guardian . Haben wir noch Zeit, in die Zentralbibliothek zu gehen, ehe sie schließt?«
»Klar. Sie hat bis sieben Uhr geöffnet.«
Kate holte ihre Jacke, und zwei Minuten später waren sie und Craig auf dem Weg in die Innenstadt.
»Am besten fangen wir mit den Artikeln von gestern an und arbeiten uns dann zurück«, schlug Craig vor.
Sie teilten die Zeitungen zwischen sich auf.
»Also, im Guardian finde ich nichts über Bücher«, sagte Kate.
»Was halten Sie von dieser Nachricht im Independent ? Eine Erstausgabe von Tolkiens Der Herr der Ringe wurde für über 50 000 Pfund an einen privaten Sammler verkauft.«
»Das kann einen Kollegen schon ganz schön neidisch machen.« Kate nickte. »Aber warum schimpfte er so über den Reporter und das Blatt?«
»Vielleicht hat er versucht, etwas Ähnliches anzukaufen, und durch die Nachricht wurde der Preis so in die Höhe getrieben, dass er nicht mehr mithalten konnte.«
»Hier in der Oxford Times steht auch etwas über den Deal«, sagte Kate. »Schauen Sie.«
»Der Artikel ist fast der gleiche. Der hohe Preis beruht auf dem außergewöhnlich guten Zustand und der lückenlos dokumentierten Herkunft der vom Autor signierten Bände. «
»Aber kein Wort darüber, wer der Käufer oder der Verkäufer ist. Wenn es allerdings in der Oxford Times
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