Endstation Oxford
mir da leider auch nicht.«
»Darauf sollten wir also nicht bauen. Die Nachricht mag einen ganz anderen Hintergrund haben.«
Kate stand auf. »Trink deinen Kaffee aus, und bemühe dich schon mal, harmlos und anständig auszusehen. Wir werden Adela Carston überzeugen, uns alles zu sagen, was sie weiß.«
»Aber wir können doch gar nicht sicher sein, dass sie wirklich eine Ausgabe der Tolkien-Trilogie besaß – ganz zu schweigen von einer Ausgabe in neuwertigem Zustand und mit einwandfreiem Herkunftsnachweis.«
»Jedenfalls hat sie Katzen, und zwar gefühlt mindestens hundert. So einwandfrei die Herkunft ihrer Bücher auch sein mag, ich würde nicht für ihren tadellosen Zustand garantieren. Können wir?«
»Ich bin mir zwar ziemlich sicher, dass du problemlos jede Info aus ihr herausquetschen wirst, aber ist dir bewusst, dass es noch nicht einmal halb neun ist?«
»Tatsächlich? In Ordnung, dann warten wir bis um zehn.«
Dieses Mal war es schlimmer. Sie konnte ihr Selbstbewusstsein noch nicht einmal dadurch stärken, dass sie laut mit sich selbst sprach und sich daran erinnerte, wer sie war.
Es kam ihr vor, als müsse sie mit jemandem verhandeln, der entweder sehr betrunken oder völlig bekifft war: Nichts drang zu ihren Peinigern durch, und nichts konnte sie von ihrer Besessenheit abbringen. Man konnte nicht einmal an ihr Gewissen appellieren und hoffen, dass ihnen die Situation leidtat. Sie besaßen keine Gefühle.
Wenigstens fühlte sie sich etwas besser, nachdem sie ein heißes Bad genommen und die verschwitzten Kleider gewechselt hatte. Doch das, was man ihr geliehen hatte, schien aus einem Sack der Kleidersammlung zu stammen. Und mehr als fünfzig Pence hätte man sicher für kein Teil bekommen.
Ihr Handy hatte man ihr weggenommen, ebenso wie alles andere, was an Praktischem in ihrer Handtasche gewesen war. Im Raum gab es keinen großen Spiegel, in dem sie sich betrachten konnte, aber wenn sie auf das ehemals weiße, formlose T-Shirt, die ausgeleierte Jogginghose und die zwei Nummern zu großen Flip-Flops hinunterblickte, wusste sie auch so, dass sie wie eine Obdachlose aussah. Zumindest besaß sie noch ihr großes Wolltuch, das sie sich gegen die Kälte um die Schultern legen konnte.
15
Gegen zehn Uhr gingen Craig und Kate die Woodstock Road hinauf zum Cornbury House. Unmittelbar nachdem Kate geklingelt hatte, wurde die Tür geöffnet, aber es war nicht Adela Carston, die vor ihnen stand. Die Dame zählte etwa fünfzig Jahre, war größer und stämmiger als Adela und wirkte recht herrisch. Sie musterte Craig und Kate sehr genau.
»Ja bitte?«
Kate setzte ein strahlendes Lächeln auf. »Wir wollen Mrs Carston besuchen. Mein Name ist Kate Ivory, ich bin eine Freundin.«
»Sie hat meines Wissens noch nie von Ihnen gesprochen. Warten Sie bitte hier, ich muss meine Mutter fragen.«
»Sagen Sie ihr, dass ich erst vor wenigen Tagen hier bei ihr war. Wir haben uns auf Estelle Livingstones Hochzeit kennengelernt und unsere gemeinsame Liebe zu Büchern entdeckt.« Kate hatte das Gefühl, dass Adela einen Anhaltspunkt brauchte, wenn sie sich an sie erinnern sollte.
»Bücher?« Die vierschrötige Gestalt drehte sich mit neuem Argwohn um. »Sind Sie etwa an den Büchern meiner Mutter interessiert?« Sie fixierte Kate aus kurzsichtigen grauen Augen. Sie hat absolut nichts von ihrer Mutter, dachte Kate. Eher ähnelt sie dem Foto von Victor. »Wollen Sie etwa welche mitnehmen?«
»Um Himmels willen nein. Ich habe zu Hause selbst genug Bücher, von denen viele noch darauf warten, gelesen zu werden. Ich brauche wirklich nicht noch mehr.«
Die Tür wurde vor ihrer Nase geschlossen. Kate und Craig mussten mehrere Minuten warten, ehe sie hörten, wie sich entschlossene Schritte näherten. Als die Tür erneut geöffnet wurde, schoss eine rote, ziemlich feuchte Katze zwischen ihren Beinen hindurch ins Haus. Ein Schwall warmer Luft schlug ihnen entgegen.
»In Ordnung, treten Sie ein. Ist das Ihr Freund?«
»Darf ich vorstellen? Craig Jefferson, ebenfalls ein Büchernarr.«
Die Frau nahm Craig noch einmal intensiv in Augenschein. »Mein Name ist Diana Brande«, stellte sie sich schließlich vor. »Wie schon gesagt bin ich Mrs Carstons Tochter. Nennen Sie mich bitte Diane.« Ihre Prüfung schien befriedigend ausgefallen zu sein, denn sie lächelte ihnen zu und trat einen Schritt zurück, um sie einzulassen.
Mit einem gewissen Gefühl des Triumphs hatte Kate den Familiennamen der Frau registriert: Brande. Ihre
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