Endstation Oxford
gern bei Zara treffen«, sagte Emma. »Das ist auch der Grund für meinen Anruf. Zara hat nämlich das getan, wovon wir vor Jahren nur geredet haben.«
»Sie hat ein Café eröffnet?«
»Für Autoren. Und Literaturfans. Eigentlich für jeden, der sich für Bücher interessiert.«
Für Kate klang die Vorstellung noch immer nach einem finanziellen Desaster. Trotzdem fragte sie: »Und wo?«
»In Headington, ganz bei mir in der Nähe. Ich bin heute Nachmittag dort und helfe in der Küche. Hast du nicht Lust zu kommen?«
»Wir haben gerade einen Freund zu Besuch. Darf ich ihn mitbringen?«
»Gern, solange er Kaffee trinkt und Teilchen isst.«
»Die Teilchen, die du selbst machst?«
»Ja, die gibt es dort auch.«
»Hervorragend! Die Autoren der Gegend werden euch vermutlich die Tür einrennen.«
»Zara hat vor der Eröffnung bei allen Literaturgruppen und Schreibseminaren Reklame gemacht. Im Anfang waren die Leute noch ein bisschen schüchtern und wollten nicht verraten, dass sie angehende Schriftsteller sind, aber das hat sich inzwischen gegeben. Die Kunden bringen ihre Laptops mit und tauschen Tipps und Erfahrungen aus, was man tun muss, um veröffentlicht zu werden.«
»Hört sich toll an«, sagte Kate, dachte aber insgeheim, dass es sich eher nach einer guten Ausrede anhörte, um sich vor ernsthafter Arbeit zu drücken. »Aber ich frage mich wirklich, wie du das alles noch in dein Leben hineinzwängst. Apropos, wie alt ist jetzt eigentlich das Baby?«
»Wir sollten sie wirklich nicht mehr Baby nennen, sonst bekommt das arme Kind irgendwann noch einen Komplex. Sie ist sieben, geht inzwischen in die Schule und ist ausgesprochen unabhängig. Sie lässt mich kaum noch an sich heran.«
Emma hörte sich an, als trauere sie den vergangenen Zeiten nach, als zahllose kleine Kinder an ihrem Schürzenzipfel hingen und ihr Leben mit zerbrochenem Spielzeug und ungelenken Zeichnungen anfüllten. Eigentlich ist es nicht schlecht, dass Emma ein Hobby – pardon, einen Job – gefunden hat, der sie ausfüllt, dachte Kate. Offenbar hatte Emma ihre neue Bestimmung darin gefunden, die Ersatzmutter und Muse aller Autoren mit Schreibblockade und aller Möchtegern-Schriftsteller der Stadt zu sein. Wenn jemand sich wegen der soundsovielten Absage ausweinen wollte, war Emma genau die richtige Adresse.
Emma beschrieb ihr den Weg zum Literaturcafé. Nachdem sie aufgelegt hatte, teilte Kate Craig mit, dass sie sich an diesem Nachmittag zwei Stunden von ihrer Suche nach Estelle freinehmen würden.
»Emma war vor einigen Jahren einmal sehr eng mit Peter Hume befreundet«, erzählte sie. »Ich habe sie nie gefragt, wie eng, denn immerhin war sie damals schon verheiratet und Mutter von mindestens einem halben Dutzend Kindern. Aber sicherlich weiß sie mehr über ihn, als wir es tun.«
»Ich persönlich freue mich besonders auf die selbstgebackenen Teilchen«, sagte Craig.
»Oh, ich auch.«
»Dabei fällt mir auf, dass wir der Tatsache, dass Estelle Literaturagentin ist, vielleicht zu wenig Beachtung geschenkt haben«, bemerkte er und hörte sich dabei an, als wolle er sich in eine lange, philosophische Analyse der Situation stürzen.
»Nun, gerade ich werde das wohl kaum vergessen«, konterte Kate.
»Ich meine es ernst.«
»Du bist also der Meinung, irgendwo da draußen gäbe es einen unzufriedenen Autor, der sie zwingen will, für ihn einen höheren Vorschuss auf seinen neuesten Roman auszuhandeln?«
»Ich könnte mir vorstellen, dass es eine ganze Reihe Möchtegern-Schriftsteller gibt, die von ihr enttäuscht sind und sich möglicherweise mit Gleichgesinnten verabreden.«
»So ganz bin ich nicht deiner Ansicht, aber wenn es so etwas gibt, dann sicherlich hier in Oxford. Sie treffen sich alle in Emmas Bistro und schütten sich gegenseitig ihr Herz aus. Und dann ist vielleicht einer dabei, der über die Stränge schlägt, Estelle am Mittwochmorgen um halb acht erkennt und sie in sein Auto zwingt.«
»Wenn du es so darstellst, klingt es irgendwie unwahrscheinlich.«
»Ich stelle mir den Übeltäter als freundlich aussehenden Mann mittleren Alters oder als ältere Dame vor.«
»Habe ich dir eigentlich je von meinem Roman erzählt?«
»Nein.« Kate bemühte sich, möglichst ablehnend zu klingen. Berichte von den unveröffentlichten Romanen anderer Leute fand sie mindestens so langweilig wie Erzählungen über Träume, nur dass die Romane viel, viel länger waren.
»Ich schrieb ihn mit zweiundzwanzig.« Craig schien wild
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