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Endstation Rußland

Endstation Rußland

Titel: Endstation Rußland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalja Kljutscharjowa
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Auto.« Und stieg hastig die frischgewischte Treppe hinab.
    Nikita schnappte sich den Eimer und rannte Junker nach, er spürte, wie seine Wangen brannten. So etwas war ihm das letzte Mal mit elf passiert.
    »Wo willst du denn hin mit dem Eimer? Das Wasser ist noch sauber! Ich hab’s gerade erst gewechselt!« rief ihm Taïssija Iossifowna hinterher. Doch Nikita stürmte die Treppe hinunter, er nahm mehrere Stufen auf einmal und konnte nicht anhalten.
    Junker lehnte rauchend am Auto. Nikita kippte das Wasser ins Gebüsch und atmete tief durch. Sein Herz hämmerte wie nach einem Marathonlauf. Nikita schaute Junker an. Junker schaute Nikita an. Es vergingen ein paar Sekunden. Nikita begriff, daß er keine Wahl hatte. Er füllte seine Lungen mit Luft und schlüpfte ins Haus.
    »Hören Sie, Taïssija Iossifowna! Ich muß Ihnen etwas Wichtiges sagen. Ich kann nicht sehr gut reden, und überhaupt, ich war immer schlecht in der Schule, aber verzeihen Sie, ich meine es aufrichtig …« Nikita spürte entsetzt, daß erwieder in Worten ertrank. »Kommen Sie, wir … das heißt Sie … Ich meine …«
    »Nun sei doch nicht so aufgeregt, beruhige dich.« Taïssija Iossifowna legte ihre welke, fast gewichtslose Hand auf Nikitas, die krampfhaft das Treppengeländer umklammerte. »Wieso hast du Angst vor mir? Ich tu dir doch nichts. Und ich nehme dir auch nichts übel. Mir kann man nicht mehr weh tun.«
    Nikita wurde schwarz vor Augen, er ließ sich auf einer Stufe nieder und zwang sich, in den Flur des Elite-Domizils an der Rubzowskaja Uferstraße zurückzukehren. Taïssija Iossifowna setzte sich neben ihn und schaute ihm besorgt ins Gesicht.
    »Taïssija Iossifowna! Mein Freund wartet unten im Auto. Wir sind gekommen, um Sie von hier wegzuholen. Und streiten Sie bitte nicht mit uns, weil so, wie Sie hier leben, das ist unmöglich, das geht einfach nicht, das darf nicht sein …« Nikita merkte, daß seine Stimme schrill wurde. »Wir kennen ein Dorf, da ist es ruhig. Da müssen Sie keine Fußböden wischen und keine schweren Eimer schleppen. Da ist ein halbes Haus, und in der anderen Hälfte wohnt ein netter Pope, der wird sich um Sie kümmern. Da gibt es frische Luft, helle Sterne, riesengroße. Und da ist ein Junge, Wanja, der ist genial, er ist erst zehn, aber er versteht mehr von der Welt als manche Erwachsenen …«
    Nikita redete kompletten Unsinn, aber zu verstummen und Taïssija Iossifowna ansehen zu müssen wäre schrecklich gewesen.
    Die alte Frau wandte sich ebenfalls ab und wischte sich verstohlen mit einem Zipfel ihres Kopftuchs die Augen. Auf dem Rest Wasser im Eimer hatten sich bunte Seifenblasen gebildet. Junker rauchte draußen vor der Tür schon die vierte Zigarette.Fast die gesamte Fahrt über bis Gorki schwiegen sie. Als sie bereits das Gebiet Iwanowo erreicht hatten, entdeckten sie einen verfallenen Kirchturm, in dem ein Storchenpaar ein Nest baute. Die großen weißen Vögel lösten sich lautlos von den milchigen Wänden des Glockenturms, drehten eine Runde in der hereinbrechenden Dämmerung und kehrten wieder zurück.
    Die drei im Auto eingeschlossenen Menschen begannen erleichtert zu reden. Über Störche. Nikita hätte nie gedacht, daß man diesem Thema so viel Interessantes abgewinnen könnte. Junker, zu dessen diversen abgebrochenen Hochschulbildungen auch ein Biologie-Studium zählte, weihte sie in sämtliche Details des Lebens dieser erstaunlichen Vögel ein.
    »Bei uns in Tschetschenien gibt es keine Störche mehr, ja, nicht mal mehr die Spatzen sind geblieben«, sagte Taïssija Iossifowna. »Die Erdölleitungen und die Fabriken haben gebrannt, und das Wasser und die Luft wurden verseucht. Alles Lebendige hat sich davongemacht und ist geflohen, ich eben auch.«
    Zum Glück erreichten sie jetzt Gorki. Auf der Hauptstraße, der einzigen Straße des Dorfes, erwartete sie der gestrenge Wanja, mitten in einer riesigen Pfütze.
    »Na endlich!« rief er Nikita zu. »Ich hab schon so viel nachgedacht, und du treibst dich ewig rum!«
    Auf Brettern, die ein wild rasender betrunkener Traktorist verloren hatte, balancierte Wanja vorsichtig aus der Pfütze heraus und betrachtete Junker verstohlen. Taïssija Iossifowna akzeptierte er sofort als eine der Seinen und begrüßte sie gönnerhaft: »Na, Mutter, wohlbehalten angekommen mit Gottes Hilfe?«
    Während Junker, Vater Andrej und Grischa, der seinenYoshi-Yamamoto-Mantel gegen eine Wattejacke getauscht hatte, das kleine Bündel mit Taïssija Iossifownas Sachen ins

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