Endstation Venedig
bekam sie es doch alles zu hören.
Tut mir leid mit dem Essen, aber ich mußte telefonieren.
Schon gut. Ich habe mit William Faulkner gespeist. Ein sehr interessanter Mann.
Im Lauf der Jahre hatten sie sich angewöhnt, ihre Mittagsbesucher wie richtige Gäste zu behandeln, und machten Witze über die Tischmanieren von Dr. Johnson (schockierend), die Konversation von Melville (skurril) und die Mengen, die Jane Austen trank (gigantisch).
Ich komme aber zum Abendessen. Ich muß nur noch mit ein paar Leuten hier reden und ein Telefongespräch aus Vicenza abwarten.
Als sie nichts darauf sagte, fügte er hinzu: Vom dortigen
Militärstützpunkt.
Ach, dann stimmt es also?
fragte sie, womit sie zu erkennen
gab, daß sie schon von dem Verbrechen und der vermutlichen Iden-tität des Opfers gehört hatte. Der Barmann erzählte es dem Postbo-ten, der erzählte es der Frau im zweiten Stock, die rief ihre Schwester an, und bald wußte jedermann in der Stadt, was passiert war, lange vor jeder Verlautbarung in den Zeitungen oder den Abendnachrich-ten.
Ja, es stimmt , bestätigte er.
Wann meinst du, daß du hier sein kannst?
Vor sieben.
Gut. Dann gehe ich mal aus der Leitung, falls dein Gespräch kommt.
Er liebte Paola aus vielerlei Gründen, nicht zuletzt weil er wußte, daß dies der wirkliche Grund für sie war, das Gespräch zu beenden.
Es lag keine verschlüsselte Botschaft, keine versteckte Kritik in ihren Worten.
Danke, Paola. Dann bis gegen sieben.
Ciao, Guido , und weg war sie, wieder bei William Faulkner, und gab ihn frei für seine Arbeit, gab ihn frei, ohne daß er Schuld-gefühle wegen der Anforderungen dieser Arbeit haben mußte.
Es war fast fünf, und immer noch hatten die Amerikaner sich nicht wieder gemeldet. Einen Moment lang war er versucht anzurufen, aber er verkniff es sich. Wenn einer ihrer Leute vermißt wurde, mußten sie mit ihm Kontakt aufnehmen. Schließlich hatte er, um es deutlich zu sagen, die Leiche. Er suchte zwischen den Personalbeurteilungen, die immer noch vor ihm lagen, bis er die von Luciani und Rossi fand. Bei beiden fügte er eine Bemerkung hinzu, daß sie weit über ihre normalen Pflichten hinausgegangen seien, indem sie in den Kanal gestiegen waren, um die Leiche herauszuholen. Sie hätten auf ein Boot warten oder Stangen benutzen können, aber sie hatten etwas getan, wovon er nicht wußte, ob er dazu mutig genug oder willens gewesen wäre.
Das Telefon klingelte.
Brunetti.
Hier ist Captain Duncan. Wir haben alle Dienstposten überprüft und festgestellt, daß ein Mann heute nicht zur Arbeit erschienen ist. Ihre Beschreibung paßt auf ihn. Ich habe jemanden zu seiner Wohnung geschickt, aber da ist er nicht, deshalb würde ich Ihnen gern jemanden schicken, der ihn sich ansieht.
Wann, Captain?
Heute abend, wenn es geht.
Natürlich. Wie schicken Sie ihn?
Entschuldigung, ich verstehe nicht ganz.
Ich wüßte gern, auf welchem Weg er kommt, mit dem Zug oder mit dem Auto, damit ich ihn abholen lassen kann.
Ach so , antwortete Duncan.
Mit dem Auto.
Dann schicke ich jemanden zum Piazzale Roma. Dort ist eine Carabinieristation, wenn man auf den Platz kommt, rechts.
Gut. Der Wagen ist in etwa fünfzehn Minuten hier, sie müßten dann in einer knappen Stunde da sein, ungefähr Viertel vor sieben.
Wir stellen ein Boot bereit. Er muß zur Friedhofsinsel fahren, um die Leiche zu identifizieren. Ist es jemand, der den Mann kannte, Captain?
Brunetti wußte aus langer Erfahrung, wie schwierig es war, einen Toten nach einem Foto zu identifizieren.
Ja, es ist sein vorgesetzter Offizier im Krankenhaus.
Krankenhaus?
Der Vermißte ist unser Inspektor für das Gesundheitswesen, Sergeant Foster.
Sagen Sie mir bitte noch den Namen des Mannes, der kommt.
Captain Peters. Terry Peters. Und, Commissario , fügte Duncan hinzu,
der Captain ist eine Frau.
Es lag mehr als nur eine
Spur Hinterhältigkeit in seinem Ton, als er dann noch hinzufügte: Und Captain Peters ist auch noch Doctor Peters.
Was wurde von ihm erwartet, fragte sich Brunetti. Sollte er sich darüber entsetzen, daß die Amerikaner Frauen in ihre Armee aufnahmen? Oder daß sie ihnen sogar gestatteten, Ärztinnen zu sein?
Statt dessen beschloß er, den klassischen Italiener zu mimen, der einer Versuchung nicht widerstehen konnte, solange sie in einem Rock daherkam, auch wenn es der Rock einer Militäruniform war.
Sehr
gut, Captain. In dem Fall werde ich Captain Peters selbst in Empfang nehmen. Doctor Peters.
Er wolle
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