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Endstation Venedig

Endstation Venedig

Titel: Endstation Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shaya
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leer war. Als die Leber aufge-gessen war und er mit dem Rest seiner zweiten Portion Polenta die Soße auftunkte, sagte er:
    Ich glaube, sie weiß oder ahnt vielleicht, wer ihn umgebracht hat. Oder warum er umgebracht wurde.
    Wie kommst du darauf?
    Wenn du ihr Gesicht gesehen hättest, als sie ihn sah. Nein, nicht als sie sah, daß er tot war, und daß es wirklich Foster war, sondern als sie sah, was ihn umgebracht hatte – sie war einer Panik nah. Das war zuviel.
    Zuviel?
    Sie hat sich übergeben.
    An Ort und Stelle?
    Ja. Komisch, nicht?
    Paola dachte ein Weilchen nach, bevor sie antwortete. Sie trank ihren Wein aus und goß sich noch ein halbes Glas nach.
    Ja. Das
    ist eine komische Reaktion auf den Tod. Und sie ist doch Ärztin?
    Er nickte.
    Das paßt nicht zusammen. Wovor könnte sie Angst haben?
    fragte sie.
    Gibt es Nachtisch?
    Feigen.
    Ich liebe dich.
    Du meinst, du liebst Feigen , sagte sie und lächelte.
    Es waren sechs, vollkommen und feucht vor reifer Süße. Er nahm sein Messer und fing an, eine zu schälen. Als er fertig war und der Saft ihm über die Finger rann, schnitt er sie durch und reichte ihr das größere Stück.
    Er steckte das meiste von seiner Hälfte auf einmal in den Mund und wischte sich den Saft vom Kinn. Dann aß er den Rest und noch zwei weitere Feigen, wischte sich wieder über den Mund, trocknete seine Hände an der Serviette ab und sagte: Wenn du mir jetzt noch ein Gläschen Port gibst, sterbe ich als glücklicher Mann.
    Paola stand auf und fragte:
    Wovor könnte sie sonst noch Angst
    haben?
    Wie du gesagt hast – davor, daß sie verdächtigt werden könnte, etwas mit seinem Tod zu tun zu haben. Oder weil sie tatsächlich etwas damit zu tun hatte.
    Sie griff nach einer gedrungenen Portweinflasche im Regal, aber bevor sie etwas davon in zwei winzige Gläser goß, stellte sie die Teller in die Spüle. Dann goß sie den Portwein ein und brachte die Gläser zum Tisch.
    Die Süße vermischte sich mit dem Nachgeschmack der Feigen.
    Ein glücklicher Mann.
    Aber ich glaube, es ist weder das eine noch das andere.
    Warum?
    Er hob die Schultern.
    Sie kommt mir nicht vor wie eine Mörderin.
    Weil sie hübsch ist?
    fragte Paola und nippte an ihrem Port.
    Er wollte schon sagen, weil sie Ärztin sei, aber da fielen ihm Rizzardis Worte ein, daß der Mörder des jungen Mannes gewußt haben mußte, wo man das Messer ansetzt. Ein Arzt würde das wissen.
    Vielleicht , sagte er, dann wechselte er das Thema und fragte: Ist Raffi zuhause?
    Er sah auf die Uhr. Nach zehn. Sein Sohn wußte, daß er um zehn zu Hause sein mußte, wenn er anderntags Schule hatte.
    Wenn er nicht gekommen ist, während wir gegessen haben, dann nicht , antwortete Paola.
    Nein, ist er nicht , sagte Brunetti, der sich zwar seiner Antwort sicher war, nicht aber, warum er es wußte.
    Es war spät, sie hatten eine Flasche Wein getrunken, herrliche Feigen gegessen und perfekten Portwein genossen. Sie wollten beide nicht über ihren Sohn reden. Er würde auch am Morgen noch da und noch immer ihr Sohn sein.
    Soll ich für dich abräumen?
    Er meinte das Geschirr, aber die
    Frage war nicht ernst gemeint.
    Nein, das mache ich schon. Geh du Chiara ins Bett schicken.
    Abräumen wäre weniger schwierig gewesen.
    Na, ist das Feuer
    gelöscht?
    fragte er, als er ins Wohnzimmer trat.

    Sie hörte ihn nicht. Sie war viele Kilometer und viele Jahre von ihm entfernt. Sie saß tief in den Sessel gekuschelt, die Beine weit von sich gestreckt. Auf der Armlehne lagen die Kerngehäuse zweier Äpfel, auf dem Boden neben ihr stand eine Tüte Kekse.
    Chiara , sagte er, dann lauter:
    Chiara.
    Sie blickte kurz auf, sah ihn zuerst nicht und merkte dann, daß es ihr Vater war. Sofort versenkte sie sich wieder in ihr Buch und vergaß ihn.
    Chiara, Zeit, ins Bett zu gehen.
    Sie blätterte eine Seite um.
    Chiara, hast du mich gehört? Zeit fürs Bett.
    Immer noch lesend stieß sie sich mit einer Hand aus dem Sessel hoch. Am Ende der Seite hielt sie gerade lange genug inne, um aufzusehen und ihm einen Kuß zu geben, dann verschwand sie, einen Finger zwischen den Seiten. Er hatte nicht den Mut, ihr zu sagen, sie solle das Buch dalassen. Wenn er in der Nacht aufstand, konnte er ja ihr Licht ausmachen.
    Paola kam ins Wohnzimmer. Sie beugte sich vor, knipste die Lampe neben dem Sessel aus, nahm die Apfelreste, hob die Tüte mit den Keksen auf und brachte sie in die Küche.
    Brunetti machte das Licht aus und ging über den Flur zum Schlafzimmer.

    6
    Brunetti kam am

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