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Endstation Venedig

Endstation Venedig

Titel: Endstation Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shaya
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mit ihnen zu unterhalten.
    Wann könnte ich denn kommen?
    Heute vormittag? Heute nachmittag? Wann Sie wollen, Commissario.
    Brunetti holte rasch aus der untersten Schublade seines Schreibtischs einen Fahrplan hervor und suchte die Strecke Venedig-Mailand heraus. Ein Zug fuhr in einer Stunde.
    Ich kann den Zug um neun
    Uhr fünfundzwanzig nehmen.
    Gut. Ich schicke Ihnen einen Wagen zum Bahnhof.
    Vielen Dank, Maggiore.
    Keine Ursache, Commissario. Keine Ursache. Ich freue mich darauf, Sie kennenzulernen.
    Nachdem Brunetti aufgelegt hatte, ging er als erstes durchs Zimmer zu dem Schrank an der gegenüberliegenden Wand. Er öffnete die Tür und begann in den Sachen herumzuwühlen, die sich im unteren Fach angesammelt hatten: ein Paar Stiefel, drei einzeln verpackte Glühbirnen, ein Verlängerungskabel, ein paar alte Zeitschriften und eine braunlederne Aktentasche. Er nahm die Aktentasche heraus und wischte mit der Hand den Staub ab. Dann trug er sie zu seinem Schreibtisch hinüber, steckte dort die Zeitungen hinein und fügte noch ein paar Akten hinzu, die er lesen mußte. Schließlich warf er aus der vorderen Schublade noch ein mit Eselsohren verziertes Bändchen Herodot mit hinein.
    Die Bahnstrecke in Richtung Mailand war ihm vertraut, vorbei an dem Schachbrettmuster aus Maisfeldern, die unter der sommer-lichen Dürre zu unschönem Dunkelbraun verbrannt waren. Er saß auf der rechten Seite des Zuges, um der tiefstehenden Sonne zu ent-gehen, die immer noch brannte, obwohl es September und die Som-merglut gewichen war. In Padua, dem zweiten Halt, drängten sich etliche Dutzend Studenten aus dem Zug, ihre neuen Bücher unter dem Arm, als wären es Talismane, die ihnen zu einer sicheren, besseren Zukunft verhelfen könnten. Er erinnerte sich an dieses Gefühl, diesen alljährlich erneuerten Optimismus, aus seiner eigenen Stu-dienzeit, als trügen die jungfräulichen Hefte das Versprechen eines besseren Jahres, eines freundlicheren Schicksals in sich.
    In Vicenza stieg er aus und sah sich auf dem Bahnsteig nach einem Uniformierten um. Als er keinen sah, ging er die Treppe hinunter und durch den Tunnel unter den Gleisen ins Bahnhofs-gebäude. Davor stand, arrogant und unnötig diagonal geparkt, eine dunkelblaue Limousine mit der Aufschrift Carabinieri. Der Fahrer war gleichermaßen mit seiner Zigarette und den rosafarbenen Seiten des Gazzettino dello Sport beschäftigt.
    Brunetti klopfte an die Heckscheibe. Der Fahrer wandte lustlos den Kopf, drückte seine Zigarette aus und griff hinter sich, um die Tür zu entriegeln. Als er die Wagentür öffnete, dachte Brunetti, wie anders doch hier im Norden alles war. In Süditalien hätte jeder Carabiniere, der ein unerwartetes Geräusch hinter sich hörte, sofort mit gezogener Waffe auf dem Boden des Autos oder daneben auf dem Asphalt gelegen, vielleicht sogar schon auf die Quelle des Geräuschs gefeuert. Aber hier, im verschlafenen Vicenza, griff er nur, ohne zu fragen, hinter sich und ließ den Fremden einsteigen.
    Ispettore Bonnini?
    fragte der Fahrer.
    Commissario Brunetti.
    Aus Venedig?
    Ja.
    Guten Morgen. Ich bringe Sie zum Stützpunkt.
    Ist es weit?
    Ein paar Minuten.
    Damit legte der Fahrer die Zeitung neben sich, in der ein fußballbegeistertes Publikum alles über Schilaccis letzten Triumph lesen konnte, und startete den Motor. Ohne sich die Mühe zu machen, nach rechts oder links zu schauen, lenkte er den Wagen vom Parkplatz und fädelte sich in den fließenden Verkehr ein. Er umfuhr die Stadt in östlicher Richtung, aus der Brunetti gekommen war.
    Brunetti war mindestens zehn Jahre nicht in Vicenza gewesen, hatte die Stadt aber als eine der reizvollsten Italiens in Erinnerung, mit schmalen, gewundenen Sträßchen im Zentrum, an denen sich Renaissance- und Barockbauten ohne Rücksicht auf Symmetrie, Chronologie oder Plan drängten. Statt dessen fuhren sie an einem riesigen Fußballstadion mit viel Beton vorbei, über eine hohe Eisenbahnbrücke und dann auf eine dieser Schnellstraßen, die überall auf dem italienischen Festland aus dem Boden gestampft worden waren; ein Zugeständnis an den endgültigen Triumph des Automobils.
    Ohne zu blinken, bog der Fahrer plötzlich nach links in eine schmale Straße ein, die auf der rechten Seite von einer stacheldraht-bewehrten Mauer begrenzt wurde. Dahinter sah Brunetti eine riesige, schüsselförmige Fernmeldeantenne. Der Wagen glitt in einer weiten Kurve nach rechts, und vor ihnen lag ein offenes Tor, neben dem bewaffnete Wachen

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