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Endstation Venedig

Endstation Venedig

Titel: Endstation Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shaya
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ihm zu und winkte ihn zu Tisch.
    Brunetti mußte sich aus dem tiefen Sessel hochstemmen. Als er an den Tisch kam, zog sie einen Stuhl für ihn darunter hervor, und als er Platz genommen hatte, setzte sie sich ihm gegenüber. Die Capodimonte-Untertassen hatten beide feine Risse, die vom Rand nach innen verliefen wie die Runzeln auf den papierenen Wangen seiner Großmutter, die ihm noch gut in Erinnerung waren. Die Löffel glänzten, und neben seinem Teller lag eine Leinenserviette, gebügelt und zu einem akkuraten Rechteck gefaltet.
    Signora Ruffolo goß zwei Tassen Kaffee ein, stellte die eine vor Brunetti hin und reichte ihm dann die silberne Zuckerdose. Mit einer silbernen Gebäckzange legte sie ihm sechs Stücke Gebäck, jedes so groß wie eine Aprikose, auf den Teller, anschließend mit demselben Werkzeug vier der folienverpackten Pralinen.
    Er süßte seinen Kaffee und nippte daran.
    Das ist der beste Kaf-
    fee in ganz Venedig, Signora. Wollen Sie mir das Geheimnis immer noch nicht verraten?
    Sie lächelte, und Brunetti sah, daß sie schon wieder einen Zahn verloren hatte, diesmal den rechten oberen Vorderzahn. Er biß in ein Gebäckstück und fühlte, wie der Zucker in seinen Mund geschwemmt wurde. Gemahlene Mandeln, Zucker, feinste Teigmasse und noch mehr Zucker. Im nächsten Stück waren gemahlene Pistazien. Im dritten Schokolade, und das vierte war mit Creme gefüllt. Er biß in das fünfte und legte den Rest wieder auf seinen Teller.
    Essen Sie, Dottore. Sie sind zu dünn. Essen Sie. Zucker gibt Energie. Und er ist gut fürs Blut.
    Die Substantive übermittelten

    ihm die Botschaft.
    Das ist köstlich, Signora Concetta. Aber ich habe gerade zu Mittag gegessen, und wenn ich zuviel davon esse, schaffe ich mein Abendessen nicht, und meine Frau wird böse.
    Sie nickte. Sie hatte Verständnis dafür, wenn Ehefrauen böse wurden.
    Er trank seinen Kaffee aus und stellte die Tasse hin. Keine drei Sekunden später stand sie auf, ging durchs Zimmer und kam mit einer geschliffenen Karaffe und zwei Gläsern, nicht größer als Oliven, zurück. Marsala. Aus meiner Heimat , sagte sie und goß ihm einen Fingerhut-voll ein. Er nahm ihr das Glas ab, wartete, während sie ein paar Tropfen in ihr eigenes goß, stieß mit ihr an und nippte. Es schmeckte nach Sonne und Meer, und nach Liedern von Liebe und Tod.
    Er setzte sein Glas ab, sah sie über den Tisch hinweg an und sagte:
    Signora Concetta, ich glaube, Sie wissen, warum ich hier bin.
    Sie nickte.
    Peppino?
    Ja, Signora.
    Sie hielt die Hand hoch, die Innenfläche ihm zugekehrt, als wollte sie seine Worte abwehren oder sich vor dem malocchio schützen.
    Signora, ich glaube, Peppino ist in etwas ziemlich Schlimmes verwickelt.
    Aber dieses Mal. . .
    fing sie an, bevor ihr einfiel, wer Brunetti war und sie nur noch sagte:
    Er ist kein schlechter Junge.
    Brunetti wartete, bis er sicher war, daß sie nichts weiter sagen wollte, dann fuhr er fort: Signora, ich habe heute mit einem Freund gesprochen. Er sagt, daß ein Mann, mit dem sich Peppino womöglich eingelassen hat, ein sehr schlechter Mensch ist. Wissen Sie etwas darüber? Ich meine, was Peppino macht und über die Leute, mit denen er zusammen ist, seit. . .
    Er wußte nicht recht, wie er es
    formulieren sollte.
    Seit er wieder zu Hause ist?
    Sie überlegte lange, bevor sie antwortete. Peppino war mit ganz schlechten Leuten zusammen dort.
    Selbst nach all den Jahren
    konnte sie sich nicht überwinden, den Ort zu nennen.
    Er hat von
    diesen Leuten gesprochen.
    Was hat er über sie gesagt, Signora?
    Er hat gesagt, daß es bedeutende Leute sind und daß sich sein Glück jetzt wendet.
    Ja, das wußte Brunetti von Peppino schon: Immer wollte sein Glück sich gerade wenden.
    Hat er Ihnen noch etwas gesagt, Signora?
    Sie schüttelte den Kopf. Es war eine Verneinung, aber er war sich nicht sicher, was sie verneinte. Brunetti war auch in der Vergangen-heit nie sicher gewesen, wieviel Signora Concetta von dem wußte, was ihr Sohn trieb. Er konnte sich vorstellen, daß sie viel mehr wuß-
    te, als sie zu erkennen gab, aber er fürchtete, daß sie dieses Wissen wahrscheinlich sogar vor sich selbst geheimhielt.
    Haben Sie welche davon kennengelernt, Signora?
    Sie schüttelte entschieden den Kopf.
    Er darf sie nicht mit hier-
    herbringen, nicht in meine Wohnung. Das war zweifellos die Wahrheit.
    Signora, wir suchen Peppino.
    Sie schloß die Augen und senkte den Kopf. Er war erst zwei Wochen von dort weg, und schon suchte die Polizei

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