Endstation
guter Laune und spielte eine halbe Stunde lang konzentriert, bis er müde wurde und nicht mehr genug sehen konnte. Er bedeutete Kelso mit einem Zeichen, daß er das Spiel beenden wollte. Ein Zuruf hatte bei dem Verkehrslärm wenig Zweck. Sie trafen sich am Netz und schüttelten sich die Hände. Morris stellte befriedigt fest, daß Kelso tüchtig schwitzte.
»Ein gutes Spiel«, sagte Kelso, »morgen um dieselbe Zeit?«
»Ich weiß noch nicht genau«, sagte Morris.
Kelso sah ihn fragend an. »Ach so«, sagte er. »Stimmt ja, Sie haben morgen einen großen Tag.«
»Ja, einen großen Tag.« Morris nickte. Mein Gott, hatte sich die Neuigkeit auch schon unter den Kinderärzten herumgesprochen? Er konnte es Ellis nachfühlen: Dieses vage, aber ständig vorhandene Bewußtsein, daß das ganze Krankenhaus ihn beobachtete und jede, auch die kleinste Handlung registrierte.
»Dann viel Glück«, sagte Kelso.
Die beiden Männer gingen ins Krankenhaus zurück. Von weitem sah Morris die einsame Gestalt von Doktor Ellis, der leicht hinkend über den Parkplatz ging, in seinen Wagen kletterte und nach Hause fuhr.
Mittwoch, 10. März 1971
Implantation
1
Um sechs Uhr morgens saß Janet Ross in ihrer grünen Arbeitskleidung bei Kaffee und Kuchen im dritten Stock der chirurgischen Abteilung. Um diese Zeit herrschte hier Hochbetrieb. Die Operationen sollten zwar um sechs Uhr beginnen, aber sie fingen meistens erst fünfzehn oder zwanzig Minuten später an. Die Chirurgen saßen herum, lasen Zeitung oder diskutierten über die Börse und ihre Golf spiele. Von Zeit zu Zeit ging einer von ihnen und warf von den Beobachtungsrängen einen Blick hinunter in die OP’s, um zu sehen, wie weit die Vorbereitungen gediehen waren.
Sie war die einzige Frau hier im Raum. Ihre Anwesenheit übte einen gewissen Einfluß auf das Verhalten der Männer aus. Es ärgerte sie, daß sie die einzige Frau war, und es störte sie auch, daß die Männer ruhiger und höflicher, weniger derb waren. Ein paar Männerwitze hätten sie überhaupt nicht gekümmert, und sie kam sich nicht gern wie ein Eindringling vor. Aber ein Störenfried war sie wohl immer schon gewesen, von ihrer frühesten Jugend an. Ihr Vater, ein Chirurg, hatte nie ein Hehl aus seiner Enttäuschung gemacht, daß er anstelle des gewünschten Sohnes nur eine Tochter bekommen hatte. Ein Sohn hätte genau in sein Lebensschema gepaßt. Am Samstagmorgen hätte er ihn mit ins Krankenhaus nehmen können, er hätte ihm die Operationssäle zeigen können - alles Dinge, die man nur mit einem Sohn anstellen kann. Eine Tochter, das war etwas ganz anderes, eine verwirrende Gegebenheit, die nicht ins Leben eines Chirurgen paßte, also ein Störenfried.
Sie sah die Kollegen der Reihe nach an und ging dann ans Telefon, um ihre innere Unruhe zu kaschieren. Sie wählte den siebenten Stock. »Hier Doktor Ross. Ist Mister Benson schon unterwegs?«
»Er wurde gerade weggebracht.«
»Wann?«
»Vor etwa fünf Minuten.«
Sie legte auf und ging zu ihrem Kaffee zurück. Ellis erschien in der Tür und winkte ihr zu. »Beim Anschluß des Computers gibt es fünf Minuten Verzögerung«, sagte er.
»Die Leitungen werden gerade verbunden. Ist der Patient schon vorbereitet?«
»Er wurde vor fünf Minuten oben weggebracht.«
»Haben Sie Morris gesprochen?«
»Noch nicht.«
»Hoffentlich kommt er bald«, sagte Ellis.
Irgendwie ging es ihr jetzt besser.
Morris fuhr, begleitet von einer Krankenschwester und einem Polizisten, im Aufzug hinunter. Benson lag auf einer Trage. Morris sagte zu dem Beamten: »Sie können hier nicht aussteigen, weil wir sofort in die sterile Einheit kommen.«
»Und was soll ich machen?« Der Mann wirkte eingeschüchtert. Er hatte sich den ganzen Morgen unsicher und fügsam gezeigt. Unter den Chirurgen kam er sich hilflos vor.
»Sie können alles von der Galerie im dritten Stock aus beobachten. Sagen Sie der Schwester in der Anmeldung, ich hätte die Genehmigung erteilt.«
Der Beamte nickte. Der Aufzug hielt im zweiten Stock. Als die Türen zurückglitten, sah man auf dem Korridor Leute hin-und hergehen, alle in grünen Kitteln. Ein großes Schild verkündete: Steriler Bereich, Kein zutritt für Unbefugte . Die Aufschrift leuchtete drohend rot.
Morris und die Schwester schoben Benson aus der Kabine. Der irritierte Beamte blieb zurück. Er drückte auf den Knopf für den dritten Stock, dann ging die Tür wieder zu.
Morris schob Benson den Flur entlang. Nach einer Weile sagte Benson: »Ich
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