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Endstation

Endstation

Titel: Endstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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die Zukunft zu denken, und wurden ganz plötzlich mit der Gegenwart konfrontiert. »Der Mann ist ein Elad«, sagte einer von ihnen und seufzte.
    Der Begriff des »Elad« hatte viel Interesse gefunden und einige akademische Besorgnis ausgelöst. Die Idee eines »electrical addict« - also eines Elektroschock-Süchtigen, der seine Dosen brauchte wie mancher sein Rauschgift - war zunächst übertrieben spekulativ erschienen. Aber eben hatten sie einen Mann erlebt, bei dem eindeutig eine solche Sucht zu erkennen war.
    »Elektrische Reize sind die tollsten«, versuchte einer zu witzeln und lachte. Aber es war ein nervöses, gespanntes Lachen.
    Morris fragte sich, was McPherson dazu sagen würde. Wahrscheinlich etwas sehr Philosophisches. McPherson interessierte sich neuerdings mehr und mehr für Philosophie.
    Die Idee des Elektroschock-Süchtigen ging auf eine erstaunliche Entdeckung zurück, die James Olds in den fünfziger Jahren machte. Olds fand damals heraus, daß es im Gehirn Zentren gibt, die bei elektrischer Stimulation intensive Lustgefühle auslösten. Die zugehörigen Nervenbahnen nannte er »Ströme der Lust.« Pflanzte man einer Ratte eine Elektrode in diesen Hirnbereich und ermöglichte ihr über eine Taste die elektrische Selbststimulation, dann drückte sie nach kurzer Einübung pausenlos diese Taste, und zwar bis zu fünftausendmal in der Stunde. Die Ratte wurde derart gierig auf diese Stimulation, daß sie selbst ohne Nahrungsaufnahme unaufhörlich die Taste betätigte, bis sie vor Erschöpfung umfiel.
    Dieses erstaunliche Experiment war mit Goldfischen, Meerschweinchen, Delphinen, Katzen und Ziegen wiederholt worden. Es stand inzwischen außer Zweifel, daß die Lustzentren im Gehirn bei allen Wirbeltieren nachzuweisen waren. Auch beim Menschen hatte man sie lokalisiert.
    Aus diesen Untersuchungen war der Begriff des Elektroschock-Süchtigen entstanden, eines Menschen, der die lustgebenden Schocks brauchte. War es anfangs schwer vorstellbar gewesen, daß Menschen auf so eigentümliche Manipulationen süchtig werden könnten, rechnete man heute durchaus damit.
    Gewiß, das technische Gerät wäre zur Zeit noch sehr teuer, aber das mußte nicht so bleiben. Es lag im Bereich des Möglichen, daß geschäftstüchtige japanische Firmen die Elektroden für zwei oder drei Dollar das Stück produzieren und dann in jeder gewünschten Menge exportieren könnten.
    Auch der Gedanke an eine illegale Operation war gar nicht so weit hergeholt. Noch vor kurzem ließen jährlich eine Million Amerikanerinnen illegale Abtreibungen an sich vornehmen. Eine Gehirnimplantation war zwar ein etwas komplizierterer Eingriff, aber sehr groß war der Unterschied nicht. Für die Zukunft durfte man davon ausgehen, daß sich eine genormte Operationstechnik entwickeln würde. Man konnte sich durchaus vorstellen, daß in Mexiko oder auf den Bahamas Spezialkliniken entstehen würden.
    Es war auch kein Problem, die geeigneten Chirurgen zu finden. Ein einziger rationell arbeitender Neurochirurg konnte pro Tag zehn bis fünfzehn Eingriffe vornehmen. Jede Operation würde ihm mindestens tausend Dollar einbringen, und bei einem derartig lukrativen Anreiz ließen sich bestimmt genug skrupellose Chirurgen finden. Hunderttausend Dollar pro Woche bar auf den Tisch, das war schon eine starke Verlockung gegen die Gesetze, falls solche überhaupt je erlassen werden sollten.
    Das aber war sehr unwahrscheinlich. Vor einem Jahr hatte das Krankenhaus zusammen mit Rechtsgelehrten ein Seminar zum Thema »Biomedizinische Technik und Gesetzgebung« organisiert. Unter anderem wurde auch über Elads diskutiert, aber die Juristen nahmen das Thema nicht auf. Die Charakteristik des Elad paßte nicht in den Rahmen der bereits bestehenden Rauschgiftgesetze. Dieses Gesetzwerk ging davon aus, daß jemand unschuldig oder unfreiwillig süchtig werden konnte, aber das war etwas grundlegend anderes, als wenn jemand mit kühler Überlegung einen chirurgischen Eingriff anstrebte, der ihn süchtig machen würde. Die meisten Rechtsgelehrten hatten die Auffassung vertreten, die breite Öffentlichkeit werde eine solche Operation nicht anstreben. So war man zu dem Schluß gekommen: Wo es keine Nachfrage gab, fiel auch das juristische Problem weg. Nun hatte Beckerman den Beweis geliefert, daß eine solche Nachfrage doch existierte. »Der Teufel soll mich holen«, sagte unvermittelt einer der Entwicklungsfachleute.
    Die Bemerkung fand Morris nicht ganz angebracht. Ihn beschlich

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