Endstation
Operation. Über Benson. Sie haben’s einfach gemacht. Ich habe ihnen von Anfang an gesagt - wirklich, von Anfang an -, daß es keine gute Idee sei, aber Ellis, Morris und McPherson waren erpicht darauf. Sie sind so hochnäsig, insbesondere Morris. Als ich ihn in der Wachstation sah, wie er sich an Benson ergötzte - der war eingewickelt und bleich wie ein Gespenst -, da wurde ich wütend.«
»Warum?«
»Weil der Mann so blaß war, weil er …«
Sie hielt inne. Sie suchte nach einer Antwort, aber es fiel ihr kein logisches Argument ein.
»Ich habe gehört, daß die Operation erfolgreich verlaufen ist«, sagte Dr. Ramos. »Die meisten Menschen sind nach einer Operation blaß. Was hat Sie denn eigentlich wütend gemacht?«
Sie schwieg. Nach einer Weile murmelte sie: »Ich weiß es nicht.«
Sie hörte, daß Dr. Ramos sich auf seinem Stuhl bewegte. Sehen konnte sie ihn nicht, denn sie lag auf der Couch, und Dr. Ramos saß vor ihrem Kopfende. Es entstand eine längere Pause, während sie zur Decke hinaufsah und überlegte, was sie sagen sollte. Ihre Gedanken drehten sich im Kreise und kamen ihr unsinnig vor. Schließlich sagte Dr. Ramos: »Die Anwesenheit der Krankenschwester scheint für Sie wichtig gewesen zu sein.«
»Wirklich?«
»Sie haben sie erwähnt.«
»Das ist mir nicht bewußt geworden.«
»Na ja, Sie sagten, die Schwester sei dagewesen und hätte gewußt, was vorging. - Was ist denn eigentlich vorgegangen?«
»Ich war wütend.«
»Ohne zu wissen, warum?«
»Doch, ich weiß es«, sagte sie. »Es lag an Morris. Er ist so eingebildet.«
»Eingebildet?« wiederholte Dr. Ramos.
»Übertrieben selbstsicher.«
»Sie sagten eben eingebildet.«
»Hören Sie, ich hab’s nicht so gemeint. Das war nur so ein Ausdruck.« Sie brach ab und merkte an ihrer Stimme, wie wütend sie geworden war.
»Sie sind schon wieder wütend«, sagte Dr. Ramos.
»Ja, sehr.«
»Warum?«
»Warum?« wiederholte sie.
Nach einer langen Pause antwortete sie: »Weil niemand auf mich hört.«
»Wer hört nicht auf Sie?«
»Keiner. Weder McPherson noch Ellis, noch Morris. Keiner hört auf mich.«
»Haben Sie denn Dr. Ellis oder Dr. McPherson gesagt, daß Sie böse sind?«
»Nein.«
»Aber an Dr. Morris haben Sie Ihre Wut ausgelassen?«
»Ja.«
Sie spürte, daß er eine Richtung verfolgte, aber sie wußte nicht welche. An diesem Punkt begriff sie normalerweise, aber diesmal …
»Wie alt ist Dr. Morris?«
»Ich weiß nicht, ungefähr mein Alter. Dreißig oder einunddreißig.«
»Ungefähr Ihr Alter?«
Daß er alles wiederholte, versetzte sie in Rage. »Ja, verdammt noch mal, ungefähr mein Alter.«
»Und er ist Chirurg?«
»Ja.«
»Fällt es Ihnen leichter, Ihre Wut gegenüber einem Gleichaltrigen auszudrücken?«
»Darüber habe ich nie nachgedacht.«
»Ihr Vater war auch Chirurg, aber er war nicht gleichaltrig.«
»Das brauchen Sie mir nicht zu erklären.«
»Sie sind immer noch wütend.«
Sie seufzte. »Reden wir von etwas anderem.«
»Gut«, sagte er in jenem leichten Ton, der ihr manchmal gefiel und manchmal so verhaßt war.
5
Wenn Dr. Morris etwas nicht leiden konnte, dann waren es diese Erstinterviews. Meist wurde diese zeitraubende und auch langweilige Arbeit ja von den Psychologen der Klinik gemacht. Dabei hatte erst neulich eine Auswertung ergeben, daß nur jeder vierzigste neue Patient der Neuropsychiatrischen Forschungsabteilung weiter behandelt wurde, und lediglich bei jedem dreiundachtzigsten spürte man eine organische Gehirnschädigung auf, die Auswirkungen auf die Verhaltensweise hatte. Das bedeutete, daß die meisten dieser Erstinterviews reine Zeitverschwendung waren.
Das galt insbesondere für die sogenannten Laufpatienten. Vor einem Jahr hatte McPherson aus politischen Gründen beschlossen, jeden zu empfangen, der nur von der Neuropsychiatrischen Abteilung gehört hatte und von sich aus herkam. Natürlich waren die meisten Patienten hierher überwiesen worden, aber McPherson glaubte, der gute Ruf der Abteilung sei auch abhängig von der prompten Behandlung der Leute, die aus eigenem Antrieb kamen.
McPherson vertrat weiterhin den Standpunkt, daß jedes Mitglied des Teams von Zeit zu Zeit Erstinterviews durchzuführen habe. Und so arbeitete denn Morris an je zwei Tagen im Monat in den kleinen Besprechungszimmern mit den durchsichtigen Spiegeln. Heute nun war er wieder an der Reihe, obgleich er überhaupt keine Lust dazu hatte. Die Operation am Morgen hatte ihn in eine gehobene Stimmung
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