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Endstation

Endstation

Titel: Endstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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Lokal gewesen. In einer stickig heißen Bude voll wilder Phantasien und Frustrationen. Das war schon sehr lange her. Erschrocken stellte er fest, wie schnell die Zeit vergangen war.
    »Da ist sie, meine Damen und Herren, die unglaubliche, die schöne Cynthia Sincere. Applaus für die schöne Cynthia!«
    Der Scheinwerferkegel auf der Bühne wurde breiter und beleuchtete ein ziemlich häßliches, aber sehr auffallend gebautes Mädchen. Die Band begann zu spielen. Als das Licht Cynthias Augen traf, blinzelte sie und begann mit einem unbeholfenen Tanz. Sie kümmerte sich nicht um die Musik, aber das schien keinen zu stören. Ellis betrachtete die Zuschauer. Es waren viele Männer da, aber auch viele eckig wirkende Mädchen mit kurz geschnittenem Haar.
    »Harry Benson?« fragte der Geschäftsführer neben ihm. »Ja, der kommt oft hierher.«
    »Haben Sie ihn kürzlich einmal gesehen?«
    »Ich weiß nicht recht«, antwortete der Mann. Er hustete, und Ellis roch eine Wolke süßlichen Alkoholnebels. »Aber eins will ich Ihnen sagen: Mir war’s lieber, wenn er sich hier nicht so viel herumtreiben würde, verstehen Sie? Ich glaube, er ist nicht ganz normal. Immer belästigt er die Mädchen. Wissen Sie denn, wie schwer es ist, die Girls bei der Stange zu halten? Verdammt schwer, das können Sie mir glauben.«
    Ellis nickte und ließ den Blick über die Zuschauerreihen schweifen. Benson hatte sich vermutlich umgezogen. Bestimmt trug er seine Pflegerkleidung nicht mehr. Ellis sah sich die Hinterköpfe an und achtete besonders auf die Stelle zwischen Haar und Kragen. Er suchte nach einem Streifen weißen Verbandes, fand aber keinen.
    »Sie haben ihn in letzter Zeit nicht gesehen?«
    »Nein.« Der Geschäftsführer schüttelte den Kopf. »Bestimmt seit einer Woche nicht mehr.« Eine Bedienung in weißem Fellbikini kam vorbei. »Sal, hast du Harry in der letzten Zeit gesehen?«
    »Er ist fast immer hier«, sagte sie undeutlich und ging mit ihrem Tablett weiter.
    »Mir war’s lieber, er würde sich nicht hier herumtreiben und die Mädchen belästigen«, sagte der Geschäftsführer noch einmal und hustete diskret.
    Ellis ging in den Zuschauerraum hinein. In der rauchigen Luft über seinem Kopf schwenkte der Scheinwerferstrahl hin und her und folgte den Bewegungen des Mädchens auf der Bühne. Sie schien mit dem Haken ihres BH’s Schwierigkeiten zu haben. Beide Hände hinter dem Rücken, bewegte sie sich hin und her, den Blick leer auf die Zuschauer gerichtet. Ellis verstand jetzt, warum Benson die Stripperinnen als Maschinen betrachtete. Sie hatten tatsächlich etwas Mechanisches an sich. Und etwas Künstliches - als sich der BH endlich löste, sah er die U-förmigen Narben unter beiden Brüsten, dort, wo die Plastikprothese eingeschoben war.
    Er mußte an Jagion denken. Das würde genau in seine Theorie vom Maschinensex passen. Jagion war ein Mitarbeiter der Entwicklungsabteilung und vernarrt in die Idee einer Fusion von künstlicher und menschlicher Intelligenz. Seine These lautete, daß einerseits die kosmetische Chirurgie und implantierte Geräte den Menschen immer mechanischer machten, während andererseits die Maschinen durch die Entwicklung der Robotertechnik immer menschlicher würden. Es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis ein sexueller Verkehr zwischen Menschen und humanoiden Robotern möglich sei.
    Vielleicht ist es schon soweit, dachte Ellis und betrachtete die Stripperin. Er hatte sich davon überzeugt, daß Benson nicht im Zuschauerraum saß. Er kontrollierte noch die Telefonzelle im Hintergrund des Raums und die Herrentoilette.
    Auf der kleinen Herrentoilette roch es säuerlich. Er verzog das Gesicht und betrachtete sich in dem zersprungenen Spiegel über dem Waschbecken. In diesem Club wurde ihm übel. Ob Benson das alles hier nichts ausmachte?
    Er kehrte in das Lokal zurück und ging zur Tür. »Haben Sie ihn gefunden?« fragte der Geschäftsführer.
    Ellis schüttelte den Kopf und ging. Draußen holte er tief Luft und stieg in seinen Wagen. Die Sache mit den Gerüchen beschäftigte ihn sehr. Er hatte das Problem zwar zuvor schon mehrmals überdacht, aber nie so gründlich. Seine Operation an Benson hatte eine bestimmte Hirnpartie zum Ziel gehabt, nämlich das sogenannte Limbische System. Das war ein sehr alter Teil des Hirns, wenn man es entwicklungsgeschichtlich betrachtete. Sein ursprünglicher Sinn war die Verarbeitung von Geruchsempfindungen. Daher auch der alte Ausdruck Rhinencephalon - das

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