Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Endstation

Endstation

Titel: Endstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
Vom Netzwerk:
werden.
    Die Psychiater in Los Angeles sprachen schon lange von einem unverkennbaren Entpersönlichungssyndrom. Los Angeles ist eine Stadt der Einwanderer und daher der Fremden. Durch das Auto aber bleiben die Menschen einander immer fremd, und es gibt nur wenige Orte der Begegnung. Kaum einer geht in die Kirche, und auch am Arbeitsplatz kommt keine tiefergehende Gemeinschaft zustande. Die Menschen vereinsamen, klagen über ihre Abgeschiedenheit, haben keine Freunde, keine Angehörigen, keine Heimat. Viele werden zum Selbstmord getrieben, und auch dabei spielt das Auto wieder eine große Rolle. Die Polizei nennt diese Form des Selbstmords beschönigend »Unfall mit nur einem Beteiligten«. Man sucht sich einen geeigneten Brückenpfeiler aus, tritt das Gas bis auf den Boden durch und rast mit hundertvierzig oder hundertsechzig Stundenkilometern dagegen. Manchmal dauert es Stunden, das Opfer aus dem Wrack herauszuschweißen.
    Janet fuhr mit mehr als einhundert Stundenkilometern über die fünf Fahrspuren und bog in Sunset von der Schnellstraße ab. Von hier ging es die Hügel von Hollywood hinauf, durch eine Gegend, in der viele Homosexuelle lebten. Los Angeles als Stadt schien Menschen mit persönlichen Problemen förmlich anzuziehen. Die Stadt bot Freiheit, aber der Preis dafür war das Alleinsein. Sie erreichte den Laurel Canyon und nahm schnell mit quietschenden Reifen die Kurven. Die Scheinwerfer schwenkten durch die Dunkelheit. Hier herrschte nur wenig Verkehr. Noch ein paar Minuten, dann hatte sie Bensons Haus erreicht.
    Theoretisch standen sie und ihre Kollegen von der NPFA vor einem einfachen Problem: Benson mußte bis 6 Uhr ins Krankenhaus zurück geschafft sein. Wenn ihnen das gelang, konnten sie den eingepflanzten Computer außer Betrieb setzen und den progressiv verlaufenden Reiz-prozeß unterbrechen. Sie konnten ihn einige Tage lang mit Sedativa behandeln und den Computer anschließend auf einen neuen Reizpunkt umschalten. Offenbar hatten sie beim ersten Versuch die falschen Elektroden gewählt. Das war ein Risiko, mit dem man rechnen mußte. Es war auch nicht unverantwortlich, weil ein Irrtum sich ja jederzeit korrigieren ließ. Aber diese Möglichkeit gab es nun vorerst nicht.
    Sie mußten ihn wiederfinden. Ein einfaches Problem, das sich auch verhältnismäßig einfach lösen ließ, indem man alle Stellen abklapperte, an denen Benson sich aufzuhalten pflegte. Nach Durchsicht seiner Unterlagen hatten sie sich die Aufgabe geteilt. Janet Ross fuhr zu seinem Haus am Laurel Canyon. Ellis sollte ein Strip-Lokal namens ›Jackrabbit Club‹ aufsuchen, in dem Benson gern verkehrte. Morris fuhr zur Firma Autotronics in Santa Monica, bei der Benson beschäftigt war. Morris hatte den Chef der Firma angerufen und erreicht, daß dieser persönlich ins Büro kam und ihm öffnete. In etwa einer Stunde wollten sie sich zu einer Lagebesprechung wieder treffen.
    Ein simpler Plan, von dem sich Janet Ross aber nicht viel Erfolg versprach. Doch eine andere Möglichkeit gab es kaum.
    Sie parkte ihren Wagen vor Bensons Haus und ging über den Plattenweg zur Haustür. Sie war nur angelehnt, und durch den Spalt hörte sie lautes Lachen und Gekicher. Sie klopfte und stieß die Tür auf.
    »Hallo.«
    Niemand hörte sie. Das Lachen kam aus der Gegend hinter dem Haus. Sie trat in den Flur. Sie war noch nie hier gewesen und fragte sich, wie dieser Mann wohl leben mochte. Sie sah sich um - eigentlich hätte sie es sich denken können.
    Rein äußerlich war es ein schlichtes Fachwerkhaus im Ranchstil, unauffällig wie Benson selbst. Aber die Einrichtung erinnerte an einen Salon von König Ludwig XIV.: zierliche, antike Stühle und Sofas, Gobelins an den Wänden, der Fußboden aus kahlem Eichenparkett. »Ist hier jemand?« rief sie. Ihre Stimme hallte durch das Haus. Sie bekam keine Antwort, hörte aber wieder das Lachen. Sie ging dem Geräusch nach und gelangte in die Küche: ein alter Gasherd, kein Elektroofen, kein Geschirrspüler, Toaster, Mixer. Überhaupt keine Maschinen. Benson hatte sich eine eigene Welt ohne jedes moderne Gerät gebaut.
    Durch das Küchenfenster konnte sie einen Blick ins Freie werfen. Eine kleine Rasenfläche umgab einen Swimmingpool. Hier war wieder alles vollkommen normal und modern, so normal, wie auch Benson nach außen hin wirkte. Der Garten wurde durch die Unterwasserbeleuchtung in ein grünliches Licht getaucht. Im Schwimmbecken plantschten lachend zwei Mädchen. Sie ging hinaus.
    Die beiden nahmen

Weitere Kostenlose Bücher