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Endstation

Endstation

Titel: Endstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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geraten. Die Punkte seiner Reizkurve stimmen genau mit der projizierten Kurve überein.«
    »Das ist ja wunderbar«, sagte Janet Ross. Sie warf Ellis, Morris und dem Polizisten einen Blick zu. Alle sahen sie erwartungsvoll an.
    »Ihre Voraussage hat sich genau bestätigt«, fuhr Gerhard fort. »Benson hat offenbar Vergnügen an den Stromstößen. Er ruft immer häufiger Anfälle hervor. Die Kurve weist steil nach oben.«
    »Wann wird er umkippen?«
    »Bald«, antwortete Gerhard. »Falls er den Zyklus nicht durchbricht - was ich sehr bezweifle -, wird er um sechs Uhr vier morgens praktisch pausenlos Reize empfangen.«
    »Liegt dafür schon eine Bestätigung vor?« fragte sie stirnrunzelnd. Sie sah auf die Uhr. Es war eine halbe Stunde nach Mitternacht.
    »Ja«, sagte Gerhard. »Nach allen Berechnungen beginnt heute morgen um sechs Uhr vier die pausenlose Stimulation.«
    »Danke«, sagte Janet und legte auf. Sie sah die anderen an. »Benson ist mit seinem Computer in einen progressiven Lernprozeß eingetreten. Der Zusammenbruch ist für heute morgen sechs Uhr vorausberechnet.«
    »Großer Gott«, murmelte Ellis mit einem Blick auf die Wanduhr. »Nur noch knapp sechs Stunden.«
    Morris hatte inzwischen das Telefonbuch beiseite gelegt und sprach mit der Auskunft. »Dann versuchen Sie es in West Los Angeles«, sagte er gerade. Nach einer Pause fügte er hinzu: »Auch keine Neuanmeldung?«
    Der Polizist sah verwirrt von seinen Notizen auf. »Soll um sechs Uhr etwas Bestimmtes passieren?«
    »Wir nehmen es an«, antwortete Janet.
    Ellis zog an seiner Zigarette. »Zwei Jahre«, sagte er, »und jetzt fange ich wieder damit an.« Er drückte sie sorgfältig aus. »Ist McPherson schon verständigt?«
    »Er wurde angerufen.«
    »Sehen Sie die Geheimnummern nach«, bat Morris. Er hörte eine Weile zu, dann sagte er: »Hier spricht Doktor Morris vom Universitätskrankenhaus. Es handelt sich um einen Notfall. Wir müssen unbedingt Angela Black finden. Wenn sie …« Er warf wütend den Hörer auf die Gabel und knurrte: »Dummes Luder.«
    »Kein Glück gehabt?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Wir wissen ja nicht einmal, ob Benson dieses Mädchen angerufen hat«, bemerkte Ellis. »Er kann auch mit einem anderen telefoniert haben.«
    »Wen er auch angerufen hat«, sagte Janet Ross, »der Betreffende wird in ein paar Stunden fürchtbaren Ärger bekommen.« Sie schlug Bensons Unterlagen auf. »Gehen wir an die Arbeit. Wir haben eine lange Nacht vor uns.«

2
    Die Autostraße war überfüllt. Selbst am Freitagmorgen um l Uhr herrschte hier Hochbetrieb. Sie sah vor sich eine endlos lange Reihe roter Rücklichter, die sich meilenweit wie eine zornige Giftschlange erstreckte. Wo wollten all diese Leute mitten in der Nacht nur hin? Sonst hatte Janet Freude an den Schnellstraßen. Manchmal war sie nachts aus dem Krankenhaus nach Hause gefahren und hatte sich wunderbar frei gefühlt, wenn über ihr die großen grünen Tafeln weghuschten und sie sich in dem Gewirr von Auffahrten, Kleeblättern und Brücken ihren Weg suchte. Sie war in Kalifornien aufgewachsen und kannte schon als Kind die ersten Schnellstraßen. Sie hatte miterlebt, wie das Straßennetz wuchs, und sie sah darin kein Übel, keine Bedrohung. Die Schnellstraße fügte sich in die Landschaft, und Geschwindigkeit machte ihr Freude.
    Das Kraftfahrzeug spielt in Los Angeles eine große Rolle, da diese Stadt von der Technik abhängiger ist als jede andere Metropole der Welt. Los Angeles kann ohne Autos nicht existieren, genauso wenig wie ohne Wasser, das über Hunderte von Meilen in die Stadt geleitet wird, oder ohne die mächtigen Industrieanlagen. Das alles ist die Existenzgrundlage der Stadt seit dem Beginn des Jahrhunderts.
    Aber in den letzten Jahren waren Janet Ross gewisse psychologische Auswirkungen aufgefallen, die eine Folge des Autos waren. Los Angeles besaß keine Straßencafes, weil kein Mensch zu Fuß ging. Das Restaurant, in dem man sitzt und die Menschen beobachtet, war hier kein fester Ort, sondern ein Fahrzeug. Das Bild veränderte sich an jeder Verkehrsampel: Immer wieder andere Menschen hielten nebeneinander, betrachteten sich kurz, fuhren wieder weiter. Ein Leben in einem Kokon von getöntem Glas und rostfreiem Stahl, einem teppichbelegten, stereofonisch berieselten, automatisch geschalteten, isolierten Gehäuse, das etwas Unmenschliches an sich hatte. Es widersprach dem zutiefst menschlichen Bedürfnis, mit anderen zusammen zu sein, zu sehen und gesehen zu

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