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Endstation

Endstation

Titel: Endstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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Möglichkeiten ausgeschöpft. Die Zeit wird knapp.«
    McPherson sah sie über den Schreibtisch hinweg an. Seine Augen waren umschattet vor Müdigkeit. »Und was erwarten Sie von mir?«
    »Daß Sie die Polizei benachrichtigen.«
    »Die Polizei ist bereits benachrichtigt. Sie wird von Anfang an, durch einen ihrer eigenen Leute, auf dem laufenden gehalten. Soviel ich weiß, wimmelt es im siebenten Stock jetzt von Polizisten.«
    »Aber die Polizei weiß nichts über die Operation.«
    »Großer Gott, die Polizei hat ihn doch vor der Operation hergebracht! Natürlich weiß sie Bescheid.«
    »Aber man weiß nicht, worum es ging.«
    »Man hat mich nicht gefragt.«
    »Und die Polizei weiß auch nichts von der Computer vorhersage für sechs Uhr«, sagte sie.
    »Was ist damit?«
    Sie geriet allmählich in Wut. Er war so verdammt stur.
    Dabei wußte er ganz genau, was sie meinte.
    »Ich glaube, daß die Polizei sich anders verhalten würde, wenn sie wüßte, daß Benson morgens um sechs einen Anfall bekommen kann.«
    »Wahrscheinlich haben Sie recht«, murmelte McPherson und setzte sich bequemer. »Dann würde man in ihm vermutlich nicht mehr einen flüchtigen Untersuchungsgefangenen sehen, gegen den eine Anklage wegen schwerer Körperverletzung läuft. Statt dessen wäre er in den Augen der Polizei ein wahnsinniger Mörder mit Drähten im Gehirn.« Er seufzte. »Im Augenblick haben sie es nur darauf abgesehen, ihn zu fassen. Wenn wir ihnen mehr erzählen, werden sie versuchen, ihn zu töten.«
    »Aber es steht vielleicht das Leben Unschuldiger auf dem Spiel. Wenn die Vorhersage …«
    McPherson unterbrach sie: »Es ist nichts weiter als eine Vorhersage, eine Projektion. Und die Vorhersage ist so gut, wie die programmierte Eingabe war. Eingegeben aber wurden lediglich die Zeitpunkte dreier Stimulationen. Durch drei geometrische Punkte kann man eine Menge verschiedener Kurven zeichnen. Man kann auf unterschiedliche Weise extrapolieren. Wir haben keinen Beweis für die Annahme, daß er um sechs Uhr eine Krise erreichen wird. Vielleicht bleibt eine solche Krise auch ganz aus.«
    Sie sah sich in dem Büro um und betrachtete die Graphiken an den Wänden. Hier in diesem Raum plante McPherson die Zukunft der Neuropsychiatrischen Abteilung, und alle Ergebnisse wurden in Form sorgfältig gezeichneter, mehrfarbiger Graphiken an den Wänden festgehalten. Sie wußte, wieviel diese Diagramme ihm bedeuteten. Ihr war klar, was die NPFA ihm bedeutete.
    Sie wußte, wie wichtig ihm Benson war. Trotzdem zeigte er sich jetzt so unvernünftig und verantwortungslos. Aber wie sollte sie ihm das beibringen?
    »Hören Sie, Janet«, sagte McPherson, »Sie haben vorhin erklärt, wir hätten alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Da bin ich anderer Meinung. Uns bleibt immer noch die Möglichkeit des Wartens. Ich halte es für gar nicht ausgeschlossen, daß er ins Krankenhaus zurückkehrt und sich wieder in unsere Pflege begibt. Solange diese Wahrscheinlichkeit besteht, warte ich lieber.«
    »Sie werden der Polizei keine Meldung machen?«
    »Nein.«
    »Und wenn er nicht zurückkommt? Wenn er im Anfall Menschen angreift - wollen Sie das wirklich auf sich nehmen?«
    »Ich habe es schon auf mich genommen«, sagte McPherson mit traurigem Lächeln.
    Es war 5 Uhr morgens.

6
    Sie waren hundemüde, aber keiner von ihnen konnte schlafen. Sie hielten sich im Telecomp auf und verfolgten die Computerberechnungen, die sich immer mehr dem Krisenpunkt näherten. Die Uhr zeigte 5 Uhr 30, dann 5 Uhr 45.
    Ellis rauchte eine ganze Packung Zigaretten, dann ging er und holte sich eine neue. Morris hatte eine Fachzeitschrift auf dem Schoß liegen und sah hinein, blätterte aber nicht ein einziges Mal um. Von Zeit zu Zeit schweifte sein Blick hinüber zur großen Wanduhr. Janet Ross ging unruhig hin und her, sah draußen die Sonne aufgehen und beobachtete, wie der Himmel über dem dünnen, braunen Nebelschleier im Osten sich rosa färbte.
    Ellis kam mit der neuen Zigarettenpackung zurück.
    Gerhard unterbrach seine Arbeit am Computer, um Kaffee aufzugießen. Morris stand auf und sah Gerhard dabei zu. Er sagte kein Wort, er half ihm nicht, er beobachtete ihn nur.
    Janet wurde bewußt, daß die Uhr an der Wand tickte. Seltsam, sie hatte es bisher noch nie bemerkt, aber das Ticken war verhältnismäßig laut. Einmal in jeder Minute kam ein mechanisches Klicken dazu, wenn der Zeiger um einen Strich weiterrückte. Dieses Geräusch irritierte sie. Sie starrte wie hypnotisiert den Zeiger

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