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Endstation

Endstation

Titel: Endstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Crichton
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an und wartete angespannt darauf, daß das gleichmäßige Ticken durch den Klick übertönt wurde. Eine leichte Form der Besessenheit, dachte sie. Der Reihe nach fielen ihr alle psychologischen Störungen ein, die sie schon am eigenen Leib erfahren hatte. Deja-vu, das Gefühl, irgendwo schon einmal gewesen zu sein; die Entpersönlichung, das Gefühl, sich bei einem geselligen Anlaß von der anderen Seite des Raums zu beobachten; Geräuschassoziationen, Sinnestäuschungen, Phobien. Es gab eben keine scharfe Trennlinie zwischen gesund und krank, normal und verrückt. Es war vielmehr ein breit gefächeltes Spektrum, in dem jeder irgendwo seinen Platz hatte. Wo man sich in diesem Spektrum auch befinden mochte, immer kamen einem die anderen eigentümlich vor. Benson wirkte seltsam auf andere Leute. Zweifellos kamen sie auch Benson komisch vor.
    Um 6 Uhr standen alle auf, streckten sich und blickten nach der Uhr. Nichts geschah.
    »Vielleicht ist es wirklich genau um sechs Uhr vier«, sagte Gerhard.
    Sie warteten.
    6 Uhr 04. Es geschah immer noch nichts. Kein Telefon läutete, kein Bote kam. Nichts.
    Ellis zog die Folie von seiner Zigarettenpackung und zerknüllte sie. Bei diesem Geräusch hätte Janet am liebsten laut aufgeschrien. Er begann mit der Hülle zu spielen, strich sie glatt, zerknitterte sie wieder. Sie knirschte mit den Zähnen.
    6 Uhr 10. Dann 6 Uhr 15. McPherson kam herein.
    »Bisher alles in Ordnung«, sagte er mit einem unpersönlichen Lächeln und ging wieder. Die anderen sahen einander an.
    Wieder verstrichen fünf Minuten.
    »Ich weiß nicht recht«, sagte Gerhard mit einem Blick auf das Computerpult. »Vielleicht war die Projektion doch nicht richtig. Wir hatten nur drei Bezugspunkte für die Kurve. Wir sollten es mit einer anderen Kurve versuchen.«
    Er setzte sich an das Pult und begann auf die Knöpfe zu drücken. Auf dem Bildschirm erschienen weiß vor dem grünen Hintergrund verschiedene Kurven. Dann gab er es auf.
    »Nein«, sagte er, »der Computer bleibt bei der ursprünglichen Kurve, sie muß richtig sein.«
    »Dann irrt sich offenbar der Computer«, sagte Morris. »Es ist beinahe halb sieben. Der Erfrischungsraum hat sicher schon geöffnet. Möchte jemand frühstücken?«
    »Klingt nicht übel«, sagte Ellis und stand auf. »Janet?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich warte hier.«
    »Ich glaube nicht, daß etwas passiert«, sagte Morris. »Sie sollten lieber frühstücken.«
    »Ich warte hier!« Die Worte entschlüpften ihr fast wider Willen.
    »Schon gut, schon gut.« Morris hob beide Hände. Er warf Ellis einen Blick zu, dann gingen die beiden. Sie blieb mit Gerhard allein zurück.
    »Gibt es für diese Kurve irgendwelche Toleranzen?« fragte sie.
    »Ja«, sagte Gerhard, »aber jetzt nicht mehr, wir haben sie längst überschritten. Sie lagen etwa bei plus-minus zwo Minuten.«
    »Das bedeutet, daß es zwischen sechs Uhr zwo und sechs Uhr sechs zu dem Anfall gekommen sein muß?«
    »So ungefähr.« Er zuckte die Achseln. »Aber anscheinend ist ja nichts passiert.«
    »Vielleicht hat man noch nichts entdeckt.«
    »Möglich.« Gerhard nickte. Er schien nicht davon überzeugt zu sein.
    Sie trat wieder ans Fenster. Draußen schien blaß und rötlich die Sonne. Warum wirken Sonnenaufgänge immer schwächer und weniger leuchtkräftig als Sonnenuntergänge? Die Farbeffekte müßten doch eigentlich dieselben sein. Sie hörte hinter sich ein elektronisches Piepen.
    »Hmhm«, sagte Gerhard.
    Sie drehte sich um. »Was war das?«
    Er deutete auf ein kleines Kästchen auf einem Regal in der Ecke. Es war mit einem Telefon verbunden. An dem Kästchen leuchtete ein grünes Licht auf.
    »Was ist los?« fragte sie.
    »Das ist unsere Sonderleitung«, antwortete er. »Sie wird offengehalten für Meldungen wegen der Hundemarke.« Sie ging hinüber und hob den Hörer ab. Eine ruhige kräftige Stimme sagte: » … wird dringend geraten, die Leiche weder zu verbrennen noch sonst zu beschädigen, solange das implantierte atomare Material nicht entfernt ist. Sonst besteht die Gefahr einer radioaktiven Verseuchung. Genauere Informationen Sie drehte sich zu Gerhard um. »Wie stellt man das ab?« Er drückte auf einen Knopf. Die Tonbandstimme brach ab.
    »Hallo?« rief sie.
    Es entstand eine Pause. Dann fragte eine Männerstimme: »Mit wem spreche ich?«
    »Hier ist Doktor Janet Ross.«
    »Gehören Sie zur Neuropsychiatrischen Forschungsabteilung?«
    »Ja.«
    »Dann holen Sie sich etwas zu schreiben, ich möchte Ihnen

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