Endstation
Amtsleitung keinen Anruf, nicht einen einzigen.«
Janet blinzelte.
»Es stimmt«, sagte Anders. »Er muß also von einem Hausapparat angerufen haben und hält sich irgendwo hier im Krankenhaus auf.
Janet Ross sah aus dem Fenster im vierten Stock auf den Parkplatz hinunter. Dort erteilte Captain Anders seine Anweisungen an mindestens zwanzig Polizisten. Die Hälfte von ihnen verschwand im Hauptgebäude des Krankenhauses, die übrigen blieben draußen stehen, bildeten kleine Gruppen, unterhielten sich leise miteinander und rauchten.
Dann kam ein weißer Kastenwagen des Sprengstoffkommandos herangerumpelt. Drei Männer in grauen, metallisch schimmernden Schutzanzügen stiegen heraus. Anders wechselte ein paar Worte mit ihnen, dann nickten sie und holten ein paar seltsam aussehende Geräte aus dem Wagen.
Anders ging zurück zur Neuropsychiatrischen Abteilung.
Gerhard stand neben ihr und beobachtete die Vorbereitungen. »Benson wird es nicht schaffen«, sagte er.
»Ich weiß«, entgegnete sie. »Ich überlege mir schon, ob es nicht irgendeine Möglichkeit gibt, ihn zu entwaffnen oder irgendwo festzusetzen. Könnten wir uns nicht einen tragbaren Mikrowellensender basteln?«
»Daran habe ich auch schon gedacht«, sagte Gerhard, »aber es ist zu gefährlich. Man kann die Wirkung auf Bensons Apparaturen nicht genau vorhersagen. Und Sie wissen ja, was dann mit den Herzschrittmachern der anderen Patienten im Krankenhaus passiert.«
»Können wir denn gar nichts tun?«
Gerhard schüttelte den Kopf.
»Aber irgendeine Möglichkeit muß es doch geben«, sagte sie.
Er schüttelte immer noch den Kopf. »Außerdem gewinnt doch bald die Umwelt die Oberhand.«
»Theoretisch.« Gerhard zuckte die Achseln.
Das Umweltkonzept war von der Entwicklungsgruppe der NPFA konzipiert worden. Es handelte sich dabei um eine ganz einfache Idee mit tiefgreifenden Folgerungen. Den Ausgangspunkt kannte noch jeder: Das Gehirn wird durch die Umwelt beeinflußt. Die Umwelt produziert Erfahrungen, aus denen Erinnerungen, Verhaltensweisen und Gewohnheiten entstehen, alles Dinge, die in den Hirnzellen in Nervenschaltungen umgewandelt werden. Diese Schaltwege werden durch einen chemischen oder elektrischen Prozeß fixiert. So wie sich der Körper eines Arbeiters durch seine Tätigkeit verändert, so verändert sich auch das Gehirn eines Menschen mit den gemachten Erfahrungen. Aber die Veränderung bleibt nach Beendigung der Erfahrung bestehen, wie auch der Arbeiter die Schwielen an den Händen nicht so schnell verliert. In diesem Sinne speichert das Gehirn frühere Umwelteindrücke. Unsere Hirne sind die Summe der gemachten Erfahrungen, nachdem diese Erfahrungen selbst längst abgeschlossen sind. Das bedeutet, daß Ursache und Krankheit nicht dasselbe sein müssen. Die Ursache von Verhaltensstörungen mag in Kindheitserfahrungen zu suchen sein, aber man kann sie nicht dadurch heilen, daß man die Ursache beseitigt, denn diese ist durch das Erwachsenwerden verschwunden. Also muß die Heilung aus einer anderen Richtung kommen.
Die Mitarbeiter der Entwicklungsabteilung drückten es so aus: Ein Streichholz kann ein Feuer entfachen, aber wenn das Feuer erst einmal brennt, wird es nicht dadurch gelöscht, daß man das Streichholz ausbläst. Das Problem heißt nicht mehr Streichholz, sondern Feuer.
Was Benson betraf, hatte er über 24 Stunden lang von seinem eingepflanzten Computer intensive Stimulationen empfangen. Diese Stimulationen hatten sein Gehirn insofern beeinflußt, als sie neue Erfahrungen und neue Erwartungen hervorriefen. So wurde allmählich eine neue Umwelt geschaffen. Schon bald würde es nicht mehr möglich sein, vorauszusagen, wie das Gehirn reagiert. Es war ja nicht mehr Bensons früheres Gehirn, sondern etwas Neues, das Produkt der neuen Erfahrungen.
Anders kam herein. »Wir sind fertig«, meldete er.
»Das sehe ich«, sagte Janet.
»Wir haben zwei Mann für jeden Kellereingang, zwei für das Haupttor, zwei für die Notaufnahme und je zwei für die drei Aufzüge. Auf die Pflegestationen habe ich keine Leute verteilt. Dort soll alles möglichst ruhig bleiben.«
Wie rücksichtsvoll, dachte sie, sagte aber nichts. Anders sah auf die Uhr. »Zwölf Uhr vierzig«, sagte er. »Ich möchte jetzt gern den Hauptcomputer sehen.«
»Der ist im Keller«, antwortete sie und deutete hinüber zum Hauptgebäude. »Dort drüben.«
»Zeigen Sie ihn mir?«
»Natürlich«, antwortete sie. Es war ihr im Grunde gleichgültig. Sie glaubte nicht mehr
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