Endstation
Schulter.
»Wiegroß?«
»Ungefähr so groß wie eine Zigarettenpackung.«
»Okay«, murmelte Anders.
Sie fuhren mit dem Lift in den Keller hinunter. In ihrer Kabine standen zwei uniformierte Polizisten, nervös, unruhig, die Hände an den Pistolentaschen.
Anders deutete auf seine Waffe. »Haben Sie schon einmal mit so etwas geschossen?«
»Nein.«
»Noch nie?«
»Nein.«
Danach sagte er nichts mehr. Die Türen der Kabine glitten auseinander. Kühle Kellerluft schlug ihnen entgegen. Vor ihnen lag der kahle Korridor, nackte Betonwände, Rohre an der Decke, grelle, unfreundliche Beleuchtung. Sie stiegen aus. Die Tür schloß sich hinter ihnen. Sekundenlang blieben sie lauschend stehen. Außer dem fernen Summen der Notstromanlage war nichts zu hören. Anders flüsterte: »Wer hält sich nachts im Keller auf?«
»Ein paar Mechaniker. Dann die Pathologen, wenn etwas Dringendes zu erledigen ist.«
»Die Labors der Pathologie sind hier unten untergebracht?«
»Ja.«
»Und wo steht der Computer?«
»Hier entlang.«
Sie führte ihn durch den Korridor. Genau vor ihnen lag die Wäscherei. Sie war nachts abgeschlossen, aber vor der Tür standen große Handwagen, hochbeladen mit schmutziger Wäsche. Anders betrachtete eingehend die Wäschebündel, bevor sie zur Zentralküche weitergingen. Die Küche war ebenfalls abgeschlossen, aber die Beleuchtung war noch eingeschaltet. Sie schloß auf und führte ihn durch die Küche. In den großen, weiß gekachelten Räumen standen in langen Reihen Arbeitstische mit Platten aus rostfreiem Stahl.
»Das ist eine Abkürzung«, erklärte sie. Ihre Schritte hallten auf den Fußbodenfliesen. Anders ging mit leichten Schritten neben ihr her und hielt den Lauf seiner Pistole zur Seite gerichtet.
Aus der Küche gelangten sie in einen weiteren Flur. Er sah fast genauso aus wie der Korridor vor der Küche. Anders sah sie fragend an. Sie merkte, daß er sich nicht mehr auskannte. Auch sie hatte sich in den ersten Wochen in den Weiten des Kellers immer wieder verlaufen. »Nach rechts«, sagte sie.
Ein Plakat an der Wand zeigte einen Mann mit einer kleinen Schnittwunde am Finger. Darunter stand: Alle Unfälle den Vorgesetzten melden . Ein Stück weiter hing ein anderes Plakat: Brauchen sie ein Darlehen, fragen sie ihre Kreditbank .
Sie bogen nach rechts in einen anderen Flur ein und näherten sich einer Reihe von Verkaufsautomaten: Heißer Kaffee, Gebäck, Butterbrote, Schokolade. Sie erinnerte sich gut an die langen Nachtwachen, wenn sie hier heruntergekommen war, um einen Happen zu essen. Das waren noch Zeiten, als ein Arzt ihr wie ein Gott erschien und sie noch voller Hoffnungen steckte. Damals glaubte sie noch an die großen Fortschritte, die sie erleben, an die aufregenden Ereignisse, die sie mitgestalten würde. Anders ließ den Blick über die Automaten schweifen, dann hielt er inne. Er flüsterte: »Sehen Sie sich das mal an.«
Sie blinzelte erstaunt. Alle Maschinen waren zertrümmert. Auf dem Fußboden lagen Schokoladetafeln und Plastiktüten mit Wurstbrötchen herum. In kurzen, kräftigen Stößen, wie aus einer angeschnittenen Arterie, spritzte der heiße Kaffee auf den Boden.
Anders umging die Kaffeepfütze und berührte mit dem Finger die Dellen an der Maschine. »Sieht ganz nach einer Axt aus, woher kann er eine Axt haben?«
»Aus einem Feuerwehrschrank.«
»Die Axt liegt hier nirgends«, stellte er fest, nachdem er sich umgesehen hatte. Dann warf er ihr einen Blick zu. Sie gab ihm keine Antwort. Gemeinsam gingen sie wieder den Korridor entlang. Sie näherten sich einer Abzweigung.
»Welche Richtung?«
»Nach links«, antwortete sie. »Wir sind gleich da.« Vor ihnen machte der Flur wieder eine Biegung. Janet Ross wußte, daß gleich dahinter das Archiv des Krankenhauses kam und anschließend der Computerraum. Bei der Planung war der Computer in unmittelbarer Nachbarschaft des Archivs untergebracht worden, weil nach und nach alle Aufzeichnungen des Krankenhauses gespeichert werden mußten.
Plötzlich erstarrte Anders. Sie blieb stehen und legte lauschend den Kopf schräg. Sie hörte Schritte und ein leises Summen. Jemand summte eine Melodie vor sich hin. Anders legte den Zeigefinger auf die Lippen und bedeutete Janet mit einer Handbewegung, sich nicht von der Stelle zu rühren. Vorsichtig schlich er auf die Biegung im Korridor zu. Das Summen kam näher. Er blieb stehen und spähte behutsam um die Ecke. Janet Ross hielt den Atem an.
»He!« rief eine Männerstimme.
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