Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

und Lebensmittel durch Tausende Farcaster auf der Planetenoberfläche und gigantische Portale im Weltraum importiert. Die Hunger-Aufstände dauerten fünfzig lokale Jahre auf TC2, mehr als dreißig Standard, und als sie zu Ende waren, waren Milliarden durch Menschenhand gestorben, die zu den Milliarden Verhungerten hinzukamen.
    Tau Ceti Center war zu Zeiten des Netzes eine hoch entwickelte Welt der Ausschweifung gewesen. Wenige Religionen hatten hier Fuß fassen können, abgesehen von den nachgiebigsten und brutalsten – die Kirche der Letzten Buße, also der Shrike-Kult, hatte sich unter den gelangweilten Hochgebildeten größter Beliebtheit erfreut. Doch in den Expansionszeiten der Hegemonie war auf TC2 nur ein einziger Götze angebetet worden, die Macht: die Jagd nach Macht, die Nähe zur Macht, die Erhaltung der Macht.
    Macht war der Gott von Milliarden gewesen, und als dieser Gott nicht mehr existierte – und durch sein Scheitern Milliarden Anhänger mit sich riss –, verfluchten die Überlebenden in den Ruinen der Metropolen die Erinnerung an die Macht, fristeten ein karges Bauerndasein im Schatten der verfallenden Wolkenkratzer, pflügten den Boden der Brachfelder zwischen den verwaisten Autobahnen und Flugbahnen und den Gebeinen der Einkaufszentren des alten Großen Rundgangs oder angelten Karpfen, wo der Tethys einst Tag für Tag Tausende Luxusjachten und
    Vergnügungsdampfer befördert hatte.
    Tau Ceti Center war reif für das Auferstehungschristentum, für den Neuen Katholizismus gewesen, und als die Missionare der Kirche und die Polizei des Pax sechzig Standardjahre nach dem Fall eingetroffen waren, war die Bekehrung der wenigen Milliarden Überlebenden des Planeten ernsthaft und einhellig. Die hohen, verfallenen, aber immer noch weißen Türme der Regierungs- und Handelszentren des Netzes wurden endlich abgerissen, ihr Stein und Smartglas und Plasteel zu gewaltigen Kathedralen recycelt, die die frisch gebackenen Auferstandenen von Tau Ceti eigenhändig bauten und in denen sich Woche für Woche die Dankbaren und Gläubigen versammelten.
    Der Erzbischof von Tau Ceti Center wurde zu einem der bedeutendsten und – ja – mächtigsten Menschen in der neu entstehenden Domäne der Menschen, die heute als Pax-Raum bekannt war, und sein Einfluss kam dem Seiner Heiligkeit auf Pacem gleich. Diese Macht wuchs, stieß an Grenzen, die nicht überschritten werden konnten, ohne dass sie den päpstlichen Zorn auf sich zog – die Exkommunizierung Seiner Eminenz Klaus Kardinal Kronenberg im Jahre des Herrn 2978, oder 126 nach dem Fall, trug dazu bei, diese Grenzen zu definieren –, aber innerhalb dieser Grenzen wuchs sie unaufhörlich weiter.
    Das erfährt auch Pater Captain de Soya nach seinem ersten Sprung aus dem Renaissance-System. Zwei Jahre hatte er geschätzt, etwa sechshundert Tage und zweihundert selbst auferlegte Tode, um alle ehemaligen Welten des Flusses Tethys zu untersuchen.
    Er und seine Soldaten der Schweizergarde sind acht Tage auf Tau Ceti Center. Die Raphael stößt in das System vor, und das automatische Signal funkt seinen Kode; Pax-Schiffe reagieren und tauchen binnen vierzehn Stunden zum Rendezvous auf. Das Bremsmanöver dauert weitere acht Stunden, dann schwenken sie in den Orbitalverkehr von TC2 ein, und weitere vier Stunden später werden die Leichen in die formelle Auferstehungskrippe in St. Paul, der Hauptstadt des Planeten, überführt.
    Auf diese Weise geht ein voller Tag verloren.
    Nach drei Tagen formeller Auferstehung und einem weiteren Tag auferlegter Ruhe trifft de Soya die Erzbischöfin von TC2, Ihre Eminenz Achilla Silvaski. De Soya trägt den päpstlichen Diskey, ein fast unerhörtes Machtmittel, und der Hofstaat der Erzbischöfin muss den Grund für diese Macht und ihre möglichen Folgen ausschnüffeln wie Hunde einen Geruch.
    Binnen weniger Stunden bekommt de Soya einen andeutungsweisen Einblick in das Verwirrspiel komplexer Intrigen in diesem Streben nach feudaler Macht: Erzbischöfin Silvaski kann nicht nach der Kardinalsweihe streben, denn nach der Exkommunizierung Kronenbergs kann kein geistliches Oberhaupt von TC2 einen höheren Rang als Erzbischof einnehmen, ohne nach Pacem und in den Vatikan transferiert zu werden, aber ihre derzeitige Macht in diesem Sektor übertrifft die der meisten Kardinäle bei weitem, und die vorübergehende Einschränkung dieser Macht ruft die Admiräle der Pax-Flotte auf den Plan. Sie muss dieses Zeichen päpstlicher Macht begreifen, das de Soya