Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung
und mein Stoffwechsel lediglich mittels Nanotechnologie mit einer dauerhaften Form von Poulsen-Behandlungen ausgestattet, sodass ich gegen Alter und Krankheiten immun bin.«
»Sind Androiden deshalb blau?«, fragte ich.
»Nein, Sir«, sagte A. Bettik. »Wir sind blau, weil zur Zeit meiner Biofaktur keine bekannte Menschenrasse blau war und meine Erbauer es wichtig fanden, uns sichtbar von Menschen zu unterscheiden.«
»Sie betrachten sich nicht als Menschen?«, fragte ich.
»Nein, Sir«, sagte A. Bettik. »Ich betrachte mich als Androiden.«
Ich lächelte über meine Naivität. »Sie arbeiten immer noch als Diener«, sagte ich. »Doch der Einsatz von Androiden als Sklavenarbeiter wurde in der Hegemonie schon vor Jahrhunderten für ungesetzlich erklärt.«
A. Bettik wartete.
»Haben Sie nicht den Wunsch, frei zu sein?«, sagte ich schließlich. »Eine unabhängige, selbstverantwortliche Person zu sein?«
A. Bettik kam zum Bett. Ich dachte, er würde sich setzen, aber er legte lediglich das Hemd und die Hose zusammen, die ich zuvor getragen hatte.
»M. Endymion«, sagte er, »ich sollte darauf hinweisen, dass die Gesetze der Hegemonie zwar zusammen mit der Hegemonie untergegangen sind, ich mich aber dennoch seit einigen Jahrhunderten als freie und unabhängige Person betrachte.«
»Und doch arbeiten Sie und die anderen hier im Verborgenen für M. Silenus«, beharrte ich.
»Ja, Sir, aber das tue ich aus freien Stücken. Ich wurde entworfen, um der Menschheit zu dienen. Das kann ich gut. Meine Arbeit bereitet mir Freude.«
»Also sind Sie aus freiem Willen hier geblieben«, fuhr ich hartnäckig fort.
A. Bettik nickte und lächelte kurz. »Ja, soweit einer von uns einen freien Willen besitzt, Sir.«
Ich seufzte und stieß mich vom Fenster ab. Inzwischen war es draußen völlig dunkel geworden. Ich rechnete damit, dass ich in Kürze zur Dinner-Party des alten Dichters gerufen würde. »Und Sie werden hier bleiben und sich um den alten Mann kümmern, bis er schließlich stirbt«, sagte ich.
»Nein, Sir«, sagte A. Bettik. »Nicht, wenn man mich in dieser Angelegenheit fragt.«
Ich hielt inne und zog die Brauen hoch. »Tatsächlich?«, sagte ich. »Und wohin werden Sie gehen, wenn man Sie in dieser Angelegenheit fragt?«
»Wenn Sie sich entscheiden, die Mission anzunehmen, die M. Silenus Ihnen angeboten hat, Sir«, sagte der Mann mit der blauen Haut, »würde ich mich dafür entscheiden, mit Ihnen zu gehen.«
Als ich nach oben geführt wurde, stellte ich fest, dass das oberste Stockwerk kein Krankenzimmer mehr war; es war in ein Esszimmer verwandelt worden. Der Schwebstuhl aus Schaumstoff war verschwunden, ebenso die medizinischen Monitore und die Kommunikationskonsolen, und die Decke war zum Himmel hin offen. Ich schaute auf und entdeckte die Sternbilder Schwan und Zwillingsschwestern mit dem geübten Blick des ehemaligen Schafhirten. Kohlepfannen standen auf hohen dreibeinigen Stativen vor jedem Buntglasfenster, und ihre Flammen erfüllten den Raum mit Licht und Wärme. In der Mitte des Zimmers waren die Kom-Konsolen einem drei Meter langen Tisch gewichen. Porzellan, Tafelsilber und Kristallglas funkelten im Licht von Kerzen in zwei ausladenden Kandelabern. An jedem Tischende war ein Gedeck aufgetragen worden.
Am gegenüberliegenden Ende wartete Martin Silenus, der bereits auf einem hohen Stuhl saß.
Der alte Dichter war kaum wieder zu erkennen. In den Stunden, seit ich ihn zuletzt gesehen hatte, schien er Jahrhunderte abgestreift zu haben. Von einer Mumie mit pergamentartiger Haut und eingesunkenen Augen hatte er sich in einen normalen alten Mann an einem Esstisch verwandelt – einen hungrigen alten Mann, dem Ausdruck in seinen Augen nach zu schließen.
Als ich mich dem Tisch näherte, bemerkte ich die dezenten IV-Tropfe und Monitorkabel, die unter dem Tisch verschwanden, aber abgesehen davon war die Illusion, als wäre jemand von den Toten auferstanden, vollkommen.
Silenus kicherte über meinen Gesichtsausdruck. »Heute Nachmittag hast du mich in meinem schlimmsten Zustand gesehen, Raul Endymion«, krächzte er. Die Stimme klang immer noch rau vom Alter, aber viel kräftiger als zuvor. »Ich hatte mich noch nicht von meinem Kälteschlaf erholt.« Er bat mich mit einer Geste, am anderen Ende des Tischs Platz zu nehmen.
»Kryogenische Fuge?«, fragte ich albern, faltete die Stoffserviette auseinander und legte sie mir auf den Schoß. Es war Jahre her, dass ich an einem derart kunstvoll gedeckten
Weitere Kostenlose Bücher