Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung
abgesehen hatten.«
Ich nickte. Das alles war mir nicht neu. Die Besetzung des Pinion Plateaus und die Suche nach den Kruziformen waren das letzte große Spiel einer zum Untergang verurteilten Kirche und der Beginn des Pax gewesen.
Aber es sollten noch fast anderthalb Jahrhunderte vergehen, bevor richtige Pax-Truppen eintrafen, um ganz Hyperion zu besetzen und die Evakuierung von Endymion und anderen Städten in der Nähe des Plateaus anzuordnen.
»Aber die Schiffe, die während der Expansion des Pax hierher kamen«, fuhr der Dichter fort, »was für Geschichten sie brachten! Die Ausdehnung der Kirche von Pacem aus auf die alten Welten des Netzes und danach auf die Kolonien des Outback...«
Die Androiden räumten die Suppenschüsseln ab und kehrten mit Platten voll geschnittenem Geflügel mit Senfsauce und einem Gratin von Manta aus dem Kans mit Kaviarmousseline zurück.
»Ente?«, sagte ich.
Der Dichter ließ seine wieder hergestellten Zähne sehen. »Nach deinen...
äh... Problemen letzte Woche schien mir das angebracht zu sein.«
Ich seufzte und stach mit der Gabel in die Scheibe Entenfleisch. Feuchter Dampf stieg mir in die Augen und Nase. Ich dachte an Izzys Eifer, als sich die Enten dem offenen Wasser näherten. Es schien in einem anderen Leben gewesen zu sein. Ich betrachtete Martin Silenus und versuchte mir vorzustellen, ich müsste mit den Erinnerungen von Jahrhunderten leben.
Wie konnte jemand geistig gesund bleiben und dabei ganze Lebensspannen in einem einzigen Gehirn gespeichert haben? Der alte Dichter grinste mich auf seine wilde Weise an, und ich fragte mich erneut, ob er denn tatsächlich geistig gesund war.
»Wir hörten also vom Pax und fragten uns, wie es wäre, wenn er wirklich einträfe«, fuhr er fort und kaute beim Sprechen. »Eine Theokratie... in den Jahrhunderten der Hegemonie unvorstellbar. Damals war Religion natürlich eine rein persönliche Entscheidung – ich gehörte einem Dutzend Religionen an und habe, als ich eine literarische Berühmtheit war, selbst mehr als eine gegründet.« Er sah mich mit leuchtenden Augen an. »Aber das weißt du selbstverständlich, Raul Endymion. Du kennst die Cantos.«
Ich probierte von dem Manta und sagte nichts.
»Die meisten Menschen, die ich kannte, waren Zen-Christen«, fuhr er fort. »Natürlich mehr Zen als christlich, aber eigentlich nicht zu viel von beidem. Persönliche Pilgerfahrten machten Spaß. Orte der Macht, seinen eigenen Baedeker-Punkt finden, diese ganze Scheiße...« Er kicherte.
»Natürlich hätte die Hegemonie nicht im Traum daran gedacht, sich mit der Religion einzulassen. Allein der Gedanke, Herrschaft und religiöse Ansichten durcheinander zu bringen, war barbarisch... etwas, das man auf Qom-Riyadh oder einer x-beliebigen Wüstenwelt im Oufback finden konnte. Und dann kam der Pax mit seinen Samthandschuhen und der Hoffnung der Kruziform...«
»Der Pax herrscht nicht«, sagte ich. »Er berät.«
»Genau«, stimmte der alte Mann zu und zeigte mit der Gabel auf mich, während A. Bettik unsere Weingläser nachfüllte. »Der Pax berät. Er herrscht nicht. Auf Hunderten von Welten kümmert sich die Kirche um die Gläubigen, und der Pax berät. Aber wenn man ein Christ ist, der wieder geboren werden möchte, missachtet man natürlich den Rat des Pax und die Einflüsterungen der Kirche nicht, oder?«
Ich zuckte wieder die Achseln. Der Einfluss der Kirche war zeit meines Lebens eine Konstante gewesen. Mir kam daran nichts seltsam vor.
»Aber du bist kein Christ, der wieder geboren werden möchte, ist das richtig, M. Endymion?«
Da sah ich den alten Dichter an, und ein schrecklicher Verdacht keimte in mir auf. Er hat irgendwie meine Scheinhinrichtung eingefädelt und mich hierher bringen lassen, obwohl ich von den Behörden auf See hätte bestattet werden sollen. Er hat Beziehungen zu den Behörden in Port Romance. Konnte er meine Verurteilung und Bestrafung veranlasst haben?
War dies alles eine Art von Test?
»Die Frage ist«, fuhr er fort, ohne meinem Basiliskenblick Beachtung zu schenken, »warum bist du kein Christ? Warum möchtest du nicht auferstehen? Liebst du das Leben nicht, Raul Endymion?«
»Ich liebe das Leben«, sagte ich gepresst.
»Aber du hast das Kreuz nicht akzeptiert«, fuhr er fort. »Du hast das Geschenk des ewigen Lebens nicht gewollt.«
Ich legte die Gabel weg. Einer der Androidendiener wertete das als Zeichen, dass ich fertig war, und räumte meinen Teller mit der Ente ab, die ich nicht
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