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Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Scheibchen-Parasiten. Der größere Organismus pulsierte, zog sich zusammen, spreizte zuckende Ranken und glitt weiter durch die kalte Luft. Ich konnte nicht glauben, dass die Worte von diesem Geschöpf kamen. Es war zu biologisch. Und ich glaubte nicht an Telepathie. Ich betrachtete die Schwärme der Scheiben, aber ihr Verhalten ließ ebenso wenig Anzeichen einer höheren Intelligenz erkennen als das von Staubkörnchen in einem Lichtstrahl – weniger als das synchrone Schwenken eines Fischschwarms oder das Zusammenscharen von Fledermäusen. Ich kam mir albern vor, als ich brüllte: »Wer bist du? Wer spricht da?«
    Ich kniff in Erwartung der Explosion von Worten in meinem Kopf die Augen zusammen, aber es kam keine Antwort von dem gigantischen Organismus oder seinen Begleitern.
    »Wer hat gesprochen?«, brüllte ich in den anschwellenden Wind. Kein Laut ertönte als Antwort, abgesehen vom Klatschen der Windböen in dem Parasegel.
    Das Kajak schwenkte nach rechts, pendelte sich wieder ein und schwenkte wieder. Ich drehte mich nach links und rechnete halb damit, ein weiteres Tintenfischmonster zu sehen, das mich angriff, aber stattdessen sah ich etwas ungleich Bedrohlicheres näher kommen.
    Während ich mich auf das außerirdische Geschöpf im Norden konzentriert hatte, hatte sich von Süden her eine immense schwarze Kumulusfront rings um mich herum aufgebaut. Windgepeitschte schwarze Streifen wirbelten aus der von einem Hochdruckgebiet getriebenen Sturmfront heraus und fluteten unter mir dahin wie ebenholzfarbene Flüsse. Ich konnte Blitze in der Tiefe unter mir zucken sehen, und rasende Sphären von Kugelblitzen, die aus den schwarzen Säulen der Gewitterfront geschleudert wurden. Näher, viel näher, kreisten ein Dutzend Tornados oder mehr, die aus dem Fluss schwarzer Wolken herabhingen, der über mir dahinfloss, deren Trichter wie die Schwänze von Skorpionen nach mir stachen. Jeder Trichter war so groß wie das Tintenfischmonster oder größer – vertikale Kilometer wirbelnden Irrsinns –, und jeder gebar seine eigene Schar kleinerer Wirbelstürme. Mein zierliches Parasegel konnte unmöglich standhalten, wenn es auch nur von einem Ausläufer dieser Wirbel gestreift wurde – und die Trichter konnten mich gar nicht verfehlen.
    Ich stand in dem schwankenden, bebenden Cockpit auf und konnte mich nur in dem Boot halten, indem ich mich mit einer Hand an einem Haltetau festklammerte. Die rechte Hand ballte ich zur Faust und schüttelte sie zu den Tornados, der tosenden Gewitterfront dahinter und dem unsichtbaren Himmel hinter allem. »Der Teufel soll euch holen!«, brüllte ich. Meine Worte gingen im Heulen des Windes unter. Meine Jacke flatterte an mir.
    Eine Bö blies mich um ein Haar in den Mahlstrom. Ich lehnte mich weit über die Hülle des Kajaks hinaus, stemmte mich gegen den Wind wie ein Skispringer, den ich einmal auf dem Eisschelf gesehen hatte, im Augenblick vor dem unvermeidlichen Fall in einem irren, ausbalancierten Gleichgewicht erstarrt, schüttelte die Faust erneut und schrie: »Gebt euer Bestes, verdammt! Ich trotze euch Göttern!«
    Gleichsam als Antwort schraubte sich einer der Tornados näher in meine Richtung, und die Spitze des kreisenden Kegels stieß herab, als wäre sie auf der Suche nach einer harten Oberfläche, um sie zu zerstören. Sie verfehlte mich um eine Strecke von Hunderten Metern, aber das Vakuum in ihrem Kielwasser wirbelte Kajak und Parasegel durcheinander wie ein Spielzeugboot in einer ablaufenden Badewanne. Ohne den Gegenwind fiel ich vornüber auf den glatten Rumpf des Kajaks und wäre in die Tiefe gerutscht, hätte ich nicht mit den tastenden Händen ein Tau gefunden, an dem ich mich festhielt. In diesem Augenblick ragten meine beiden Füße aus dem Cockpit hinaus.
    Hagel begleitete den vorbeiziehenden Trichter. Eiskörner – einige so groß wie meine Faust – schlugen durch das Parasegel, trommelten mit einem Geräusch wie Flechetteeinschläge auf das Kajak und trafen mich an Beinen, Schultern und Rücken. Vor Schmerzen ließ ich beinahe los. Was keine nennenswerte Rolle gespielt hätte, wurde mir klar, während ich mich an das schwankende, schlingernde Kajak klammerte, da das Segel an hundert Stellen zerrissen war. Nur sein Baldachin hatte verhindert, dass mich die Hagelkörner zerfetzt hatten, aber nun war der deltaförmige Stoff entzwei. Das Segel verlor den Auftrieb so schnell, wie es ihn erlangt hatte, und das Kajak stürzte der Dunkelheit viele tausend Klicks tiefer

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