Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches
hatte ihn erwählt. Jahrhundertelang hatten Wissenschaftler und Gelehrte gesucht, was er, Blake Winters, gefunden hatte. Und die Person im Schatten, Diana Bentley, wollte es besitzen, um es für ihre dunklen Zwecke zu missbrauchen.
Langsam hob er den Kopf damit er in ihre kalten grauen Augen sehen konnte. Ihr Blick war hart und unerschütterlich wie Stein. »Wo ist das Letzte Buch, Blake?«
Sein Herz zog sich zusammen. Ihm würde nichts anderes übrigbleiben, als ihr das Buch zu geben, um seine kleine Schwester zu retten. Der düstere Reim von neulich hatte ihm diesen Zusammenhang angekündigt:
Plötzlich überlief ihn ein unkontrollierbares Frösteln.
»Ich gebe es Ihnen unter einer Bedingung«, stieß er dann hervor. Die Worte fühlten sich an wie Asche in seinem Mund.
»Du hast eine Bedingung?« Sie lachte fast. »Und was soll das für eine Bedingung sein?« Sie sah ihn an wie eine Katze, die mit einem Vogel spielt.
»Ich hab das Buch versteckt«, log er. »Ich bringe Sie hin, aber erst, wenn ich weiß, dass meine Schwester okay ist. Ich muss sie vorher sehen.«
Diana klang gelangweilt. »Glaubst du wirklich, dass ich dir das abnehme?«
Blakes Gedanken überschlugen sich.
»Sie brauchen mich, wenn Sie wissen wollen, was in dem Buch steht«, sagte er schnell.
Diese Antwort ließ zum ersten Mal Unsicherheit in ihrem Blick aufflackern.
»Ich will Duck sehen«, hakte er nach.
»Genug jetzt!«, rief Diana, die offenbar die Geduld verlor. »Ich bringe dich zu deiner abscheulichen kleinen Schwester, aber dann gibst du das Buch heraus. - Und keine falschen Spielchen!«
Immer noch seinen Arm auf den Rücken pressend, so dirigierte sie ihn zur Tür. Er versuchte verzweifelt, sich einen Plan zu überlegen, eine Fluchtmöglichkeit, aber der scharfe Schmerz in seiner Schulter nahm ihm jede Fähigkeit, einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Er hatte Angst. Im Augenblick konnte er weiter nichts tun als gehorchen.
»Eine unvorsichtige Bewegung, und ich versichere dir, deine Schwester wird die Konsequenzen tragen«, lispelte Diana dicht neben seinem Ohr, so dicht, dass er das Gefühl hatte, sie wolle es ihm abbeißen.
Diana schob Blake durch die blaugoldene Flügeltür, dann scharf rechts und über einen letzten Treppenaufgang, der zu den oberen Leseräumen unter dem Dach der Bibliothek führte.
Auch hier gab es eine Flügeltür, die einen Spalt offen stand. Sie schob ihn in einen großen Raum mit vielen einzelnen Nischen zum Lesen und Studieren.
Hier war es schwül und dämmrig wie in einem Museum. Von einem Wandfries oberhalb der Bücherregale starrten Gesichter auf sie herab; doch die alten Gelehrten, einst prägende Gestalten der glanzvollen Geschichte der Universität, hatten keine Augen für seine Nodage. Es gab keinen einzigen Menschen weit und breit, der ihm helfen konnte.
Die Läden vor den Fenstern waren herabgelassen und sperrten die Außenwelt aus, der Linoleumboden dämpfte ihre Schritte. Von Duck keine Spur — weder hier in dem weidäufigen Lesesaal, noch in dem Raum um die nächste Ecke, wo wieder Tische standen, außerdem Computer und ein zentraler Tisch, an dem wahrscheinlich Bücher ausgegeben wurden.
In der Ecke eines hohen quadratischen Turmes, der einen prägnanten Punkt in der Skyline der Stadt bildete, war eine unscheinbare helle Tür. Dorthin steuerte ihn Diana.
Hinter der Tür war wieder eine Wendeltreppe - diesmal eine, die sich anscheinend bis zum höchsten Punkt der Bibliothek hinaufschraubte. Was hatte sie vor? Ihn vom Dach zu stoßen?
»Wohin gehen wir?«, fragte er nervös, als sie die Tür hinter sich abschloss und ihm die Treppe hinauf folgte. Die Stufen waren eng und tückisch, und Blakes Beine zitterten.
Als Antwort bohrte ihm Diana ihren Schlüssel in den Rücken. Blake stieg weiter, vorbei an zwei Spitzbogenfenstern und einer schmalen Holztür.
Misstrauisch kniff Blake die Augen zusammen. »Wo ist Duck?«, fragte er.
Die Antwort war ein verzweifeltes Hämmern auf der anderen Seite der Tür.
»Duck!«, schrie er, sprang zum Türgriff und zog daran. »Ich bin hier! Ich hol dich da raus!«
Die Tür war abgeschlossen und gab keinen Millimeter nach. Als Duck seine Stimme hörte, machte sie umso mehr Lärm. Sie musste panische Angst haben. Enge abgeschlossene Räume hatte sie noch nie ausstehen können.
Wütend drehte er sich zu Diana um. Sie ließ einen kleinen Schlüssel von ihrem Finger baumeln. Er wollte danach greifen, aber sie machte schnell eine Faust.
»Was ist
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