Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches
mit ihr?«, polterte er los. »Warum kann sie nicht sprechen?«
»Ich habe mir erlaubt, deiner Schwester einen Knebel in den Mund zu stecken«, erwiderte Diana kurz. »Sie hat mich zum Wahnsinn getrieben.«
Blake konnte sich kaum noch zügeln. »Lassen Sie sie raus!«, schrie er zornig. »Da drin kriegt sie nicht genug Luft! Wenn ihr was passiert, werde ich ...«
»Wirst du was?«, fragte Diana schroff und stieß ihn weiter. Sein Fußknöchel verdrehte sich, er stürzte und sein Knie schrappte gegen die scharfe Kante einer Steinstufe. Er schrie auf vor Schmerz. Aber Diana zog ihn unerbittlich wieder auf die Füße und schob ihn weiter die Wendeltreppe hinauf »Ich komme zurück ...«, rief er Duck mit brüchiger Stimme zu.
Schließlich kamen sie zu einer hohen Tür, über der UNIVERSITÄTSARCHIV in die Mauer gemeißelt war. Auf einem Messingschild an der Tür aber stand: DR. D. BENTLEY, ARCHIVARIN.
Überrascht drehte sich Blake um. »Sie arbeiten hier?«, fragte er.
»Natürlich«, sagte Diana stirnrunzelnd. »Meinst du, Giles ist hier der Einzige in einer wichtigen Position?«
Sie schloss die Tür auf und schubste ihn hinein.
Blake stolperte gegen einen Tisch in der Mitte des geräumigen Zimmers und fiel zusammengekrümmt auf den Boden. Benommen sah er sich um.
Vier gewaltige Fenster, zum Teil verdeckt von schweren Holzschränken, boten eine großartige Sicht auf die Türme und Kuppeldächer der Umgebung. Auf dem Dach eines der benachbarten Gebäude spielte eine Gruppe steinerner Engel auf ihren stummen Instrumenten, irgendwo sah er eine Justitia mit der Augenbinde, aber die kehrte ihm den Rücken zu.
Er sprang zu einem der großen Fenster und wollte versuchen, die Leute auf der Straße aufmerksam zu machen. Die hin und her wuselnden Leute da unten waren nicht größer als Streichholzmännchen. Einen Riegel hatte das Fenster nicht, und so konnte er weiter nichts tun, als mit der Faust gegen die Scheibe hämmern. Das gedämpfte Geräusch trug nicht weit.
»Bist du bald fertig?«, fragte Diana hinter ihm. »Ich habe meinen Teil der Abmachung gehalten. Nun schlage ich vor, dass du deinen erfüllst.«
Er sah sie an. Mit scheinbarer Ruhe inspizierte sie die Bücher in einem der Schränke.
»Meine Lieblingsbücher«, sagte sie und deutete auf einige Bände, groß wie Bibeln und von Metallschließen zusammengehalten. »Ich bewahre sie hier oben auf, damit niemand - nicht einmal Giles - sie anfassen kann.« Sie strich über die gewellten schwarzen Einbände. »Es sind Bücher, die noch aus der Gründungszeit der Bibliothek stammen.«
Blake sagte nichts. Sein Blick huschte zur Tür, die Diana mit dem Fuß zustieß.
»Denk erst gar nicht daran«, winkte sie ab. »Du würdest nicht weit kommen. Außerdem habe ich alle Schlüssel zwischen dir, deiner Schwester und der Freiheit. Der einzige Weg hier heraus besteht darin, dass du mir gibst, was ich will.«
»Ich habe Ihnen schon gesagt, dass ich das Letzte Buch nicht habe«, sagte er trotzig. »Ich hab's nicht gefunden.«
»Das möchte ich bezweifeln«, sagte Diana mit einem listigen Lächeln. »Du warst dafür auserwählt.«
Langsam kam sie auf ihn zu, und er machte zwei Schritte rückwärts.
»Gib es mir!«
Blake schoss das Blut in den Kopf. »Nein«, rief er und fasste die Gurte seines Rucksacks fester. Er prallte mit dem Rücken gegen eine Glasvitrine voller handschriftlicher Dokumente. Ihre Siegel aus platten Wachsklecksen sahen aus wie zerquetschte Käfer. Unwillkürlich kamen ihm zwei andere Zeilen aus Endymion Springs Rätsel in den Sinn:
Sein Blick fiel auf ein zierliches silbernes Papiermesser, das auf einem Stapel ungeöffneter Briefe auf dem Schreibtisch lag.
»Wenn Sie das Buch so dringend haben wollen«, entfuhr es ihm, »warum kommen Sie dann nicht her und holen es sich?« Jede Faser in ihm war zum Zerreißen gespannt.
»Ja, könnte ich wohl«, sagte Diana ohne große Begeisterung. Bei einem zufälligen Blick auf ihre langen weißen Handschuhe erschrak Blake, denn ihm schwante plötzlich, dass sie daran gedacht haben könnte, Fingerabdrücke zu vermeiden. Schon malte er sich aus, wie sie ihm die Hände um den Hals legte und ihn würgte.
Scheinbar hatte sie seine Gedanken erraten, denn sie streifte langsam einen der Handschuhe ab. Sie schälte den glatten weißen Stoff von ihren Armen und zupfte die Handschuhe von den Fingern. Blake schnappte nach Luft: Alle Fingernägel der linken Hand waren schwarz!
»Wie bei Professor Jolyon «, platzte
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