Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches
fremd aus. Blake war jämmerlich zumute, als er ihn vom Haken nahm. Wie leicht er war!
Dann fiel sein Blick auf den Tisch. Vor ihm lag ein aufgeschlagenes Notizheft mit einer hastig hingekritzelten Nachricht. Die Worte verschwammen vor seinen Augen:
Es konnte keinen Irtum über den Schreiber der Nachricht geben: Es war die Person im Schatten.
Fünfundzwanzig
r hatte keine Zeit, im Letzten Buch nach Rat zu suchen. Das Schrillen einer Glocke zerriss die Stille in den Magazinen. Blake sah auf die Uhr und stellte fest, dass ihm keine fünfzehn Minuten mehr blieben. Dann würde die Bibliothek schließen. Duke Humfrey ... Duke Humfrey ...
Er war sicher, dass er den Namen schon gehört hatte, aber wo?
Das Ungetüm von Maschine, das die Bücher hinauf in die Lesesäle transportierte, arbeitete nicht mehr. Sein Getriebe mit den Zahnrädern war zum Stillstand gekommen und wirkte jetzt, so in der Schwebe, fast noch unheimlicher als vorher. Ringsum herrschte Totenstille. Blake musste plötzlich daran denken, dass irgendwo da oben seine Mutter jetzt ihre Sachen zusammenpackte und nichts ahnte von der Gefahr, in der ihre Kinder waren.
Duke Humfrey ... Blake fing an zu rennen.
Reihen von Lederbänden machten modernen Lehrbüchern Platz, dann Büchern mit bunten Schutzumschlägen. Von Ferne sah Blake die endlosen Regale mit den grauen Pappkartons. Er war auf dem richtigen Weg. Seine Schuhe machten ein quietschendes Geräusch auf dem Boden.
Nun kam die Metalltreppe, er sprang die eng gewundenen Stufen hinauf, seine Schritte hallten auf dem Metall.
Und dann fiel es ihm ein: Duke Humfrey ... Duck hatte davon gesprochen, als sie von der Toilette gekommen war. Die Duke Humfrey Bibliothek musste also irgendwo oben sein, die Haupttreppe hinauf. Nun wusste er wenigstens, wohin er gehen musste!
Er jagte durch den weiß getünchten, schräg aufwärts führenden Gang, der die Eingangshalle der Bodleian Library mit den Magazinen verband, und kam in der Nähe des Geschenkeladens heraus. Die Stille in der Bibliothek erschreckte ihn. Der Haupteingang war schon abgeschlossen, allein seine Schritte hallten von den Wänden. Niemand war mehr hier, der ihm zu Hilfe kommen könnte.
Er lief die breiten Stufen des verlassenen Treppenaufgangs hinauf. Mit jedem Schritt ließ ihn eine düstere Vorahnung schaudern. War Duck in Gefahr?
Vor einer Flügeltür in majestätisch blauen und goldenen Farben blieb er stehen. Die Duke Humfrey Bibliothek ... Ein muffiger Geruch nach Büchern und Lernen drang durch den offenen Spalt zwischen den Türflügeln heraus.
Der Raum war ziemlich genau so, wie Duck ihn beschrieben hatte. Tausende dunkler Lederbände standen auf den alten, von halbhohen Balustraden geschützten Holzregalen. Über stabile Leitern erreichte man die Bücher dicht unterhalb der Decke, die mit bemalten Stuckornamenten versehen war. Der Raum sah aus wie eine Kapelle, in der die Andacht ausschließlich dem Lesen galt.
Ein Pförtner in dunkelblauem Anzug räumte den Tisch auf, der in der Mitte des Raumes stand, und schien jeden Moment abschlie- ßen zu wollen. Blake wartete an der Tür, dann, als der Mann ihm den Rücken zuwandte, schlich er in den Bibliotheksraum und kauerte sich hinter ein Geländer nahe der Tür. Er zwängte sich zwischen die Sprossen und eine Bank und hoffte, dass ihn der Pförtner nicht entdecken würde.
Über sich, auf der Unterseite der Regalbretter sah er goldene Sterne auf einem rot und grün karierten Hintergrund leuchten. Ansonsten war der Raum eher düster. Er sah auf die Uhr. Nur noch drei Minuten. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, während die Sekunden verrannen.
Leise zog er den Reißverschluss seines Rucksacks auf und steckte das Letzte Buch und Ducks Regenmantel hinein. Dann verschloss er ihn, steckte die Arme durch die Gurte und schnallte sich den Rucksack auf den Rücken. Er würde nichts preisgeben, bevor er wusste, dass Duck in Sicherheit war.
Der Pförtner pfiff vergnügt vor sich hin, während er die Schlüssel vom Tisch nahm, dann sperrte er die Türen am anderen Ende des Raums ab und kam schließlich auf Blakes Versteck zu. Blake hielt die Luft an und duckte sich noch tiefer. Das Blut rauschte ihm in den Ohren. Er zitterte am ganzen Leib.
Nach einem letzten prüfenden Blick ging der Pförtner hinaus, zog die Türen hinter sich zu und sperrte sie ab - endgültig wie Gefängnistüren.
Stille breitete sich aus. Der Raum lag im Halbdunkel.
Blake konnte nichts weiter tun als
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