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Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches

Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches

Titel: Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Skelton
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Treppe aus konnte ich die hell lodernden Flammen im Kamin sehen, ein Phönix aus der Asche. Schatten zuckten über die Wände und tanzten um die Presse wie Höllengestalten.
    Ich wagte mich ein paar Schritte weiter.
    Gerade beugte sich Fust über die unheimliche Truhe, die er dicht vor die Flammen gezogen hatte. Er murmelte eine Art Beschwörungsformel, die ich nicht verstehen konnte, und strich mit den Fingern über die Seiten der Kiste. Peter hielt einen Becher bereit, und Fust tauchte mit rascher Bewegung die Finger hinein - ganz so wie ein Schreiber die Feder ins Tintenfass.
    Mir wurden die Knie weich: Diese Tinte war dick und dunkel wie Blut.
    Mit geübtem Griff packte Fust die Köpfe der Schlangen und gab jeder von ihnen einen Tropfen Flüssigkeit von seinen Fingerspitzen. Sie schienen ihn zu beißen und dann, auf sein Geheiß, ihre Köpfe voneinander zu lösen. Der Deckel öffnete sich.
    Hatten mich meine Augen getäuscht? Besaßen die Schlangen gar keine Giftzähne, wie Fust mir hatte einreden wollen?
    Ich schob mich langsam näher heran.
    Die Presse stand wie ein Monster an den Boden gekettet mitten im Raum, ich duckte mich unter ihren hölzernen Bauch und zwängte mich zwischen ihre schützenden Beine.
    Jetzt zog Fust eine silbrig hellgrüne Tierhaut aus der Truhe. Ich hielt die Luft an. Er breitete sie im Licht aus, und sofort sog sie den Schein des Feuers auf und wurde rot wie ein Sonnenuntergang - wie ein blutgetränktes Schlachtfeld.
    Verblüfft streckte Peter die Hand aus und wollte die Haut berühren.
    Fust schlug seine Hand weg. »Pssst! Nicht anfassen«, zischte er und breitete die Haut auf dem Boden aus. Dann griff er tief in das dunkle Innere der Truhe.
    Meine Augen weiteten sich, als er einen großen, sich bauschenden Bogen Papier herausnahm, der sich kräuselte und wellte, als sei er lebendig. So etwas hatte ich noch nie gesehen! Es war ein enorm großer Flügel aus Pergament! Das Papier war weiß wie Schnee, schmolz aber nicht, auch nicht vor dem knisternden und Funken speienden Feuer. Im Gegenteil, das magische Pergament schien den Flammen die Intensität ihrer Farbe zu entziehen und erstrahlte dafür selbst in noch vollkommenerem Weiß. Im Vergleich dazu wirkte auch das feinste Pergament meines Meisters matt.
    Ich umklammerte die Beine der Druckerpresse. Wie gern würde ich dieses wunderbare Papier einmal anfassen!
    Die Truhe enthielt noch andere, ähnliche Papierbögen — ich sah sie wie einen im Mondlicht schimmernden See darin liegen. Während ich staunend hinsah, teilte sich das einzelne Blatt in Fusts Händen in immer feinere, dünnere Häutchen, die alle fast durchscheinend und doch von zarten silbernen Lichtadern durchzogen waren. Die Anzahl der Seiten, die allein aus diesem einen Bogen entstanden, schien unbegrenzt. Es war ein Wunder!
    »Trotz aller Feinheit ist dieses Material praktisch unzerstörbar«, sagte Fust und hielt eine Ecke der Tierhaut ins Feuer.
    Ich hörte, wie das Papier leise zischte, aber nicht in Flammen aufging, wie ich es erwartet hatte. Im Gegenteil, es schien das Feuer zu löschen: die hell lodernden Flammen fielen zu matter grauer Asche zusammen und leuchteten erst wieder auf, als Fust das Papier zurückzog. Aber weder eine versengte Stelle noch ein Brandfleck waren darauf zurückgeblieben.
    Ich rieb mir die Augen. Konnte das wahr sein?
    Peter linste seinem Herrn über die Schulter. »Wie seid Ihr an dieses ... dieses magische Pergament gekommen?«, fragte er ungläubig flüsternd.
    Fust blieb eine Weile schweigsam und nachdenklich. Dann lächelte er. Seine Zungenspitze erschien kurz zwischen seinen Zähnen. »Man könnte sagen, es ist ein Geschenk von einem besonders frommen Dummkopf aus Haarlem.«
    Atemlos hörte ich zu, als er von der Herkunft des Papiers erzählte.
    Vor etlichen Jahren ging einmal ein Holländer namens Laurens Coster mit seiner Enkeltochter, einem Mädchen von fünf oder sechs Jahren, in der Nähe seines Hauses spazieren. Mitten im Wald kamen sie zufällig an einem mächtigen Baum vorbei, den Coster noch nie gesehen hatte. Zu seiner Verblüffung behauptete seine Enkelin steif und fest, dass sie zwischen den Blättern des Baumes einen Drachen sehe.
    »Und? War da ein Drache?«, fragte Peter mit angehaltenem Atem.
    »Geduld!«, sagte Fust und brachte ihn mit einem vorwurfsvollen Blick zum Schweigen. »Ich werd's dir schon erzählen.«
    Costers Enkeltochter war ein fantasievolles Mädchen, das zu Träumereien und erfundenen Geschichten neigte,

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