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Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches

Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches

Titel: Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Skelton
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suchte nach einem geeigneten Moment, sich in den Zug einzureihen, und hüpfte und tänzelte abwartend hin und her, ohne sich um den Takt der Musik zu kümmern. Da streckte ich die Hand aus und hielt ihn zurück.
    Er sah mich an. »Du machst ein Gesicht, als ob das Ende wirklich nahe sei«, sagte er, und in seinem besorgten Ton lag großes Mitgefühl. »Was ist los mit dir?«
    Er ging neben mir in die Knie und zeigte mit dem Finger auf die ausgelassenen Gesichter der Menschen. »Es ist ein Fest, Endymion. Du solltest fröhlich sein. Der Totentanz soll uns nur erinnern an all das, wofür wir dankbar sein müssen. Da gibt es nichts zu fürchten.«
    Liebevoll tätschelte er mir den Kopf. In diesem Augenblick fingen meine Lippen an zu zittern, als wollten sie sprechen.
    »Wundert Euch nicht über ihn«, sagte auf einmal Peter, fasste mich am Ellbogen und zog mich ins Haus. »Sein Kostüm ist noch nicht fertig, das ist alles. Es müssen noch ein paar kleine Änderungen gemacht werden, aber ich kümmere mich darum.« Mein Arm steckte in seinem Griff wie in einem Schraubstock.
    Meister Gutenberg sah auf. »Nun, dann beeilt euch«, sagte er. »Besonders du, Peter, darfst nicht zu spät kommen.«
    Mit einer gewissen Befriedigung nickte Peter. Er und Christina durften bei den diesjährigen Festlichkeiten eine besonders ehrenvolle Pflicht erfüllen: Man hatte ihnen die wichtigsten Rollen übertragen, nämlich die von Adam und Eva, deren Aufgabe es war, die Toten auf den Kirchhof zu führen und ihre Unsterblichkeit zu besingen. Sobald sich die Bürger von Mainz aufgestellt und symbolisch den Tod erlitten hatten, würde Gott herabsteigen und sie auferwecken. Und dann würden die wahren Freuden beginnen: das Tanzen und Schmausen bis weit in die Nacht hinein.
    Aber ich würde nicht mehr dabei sein ...
    »Keine Sorge, Meister Gutenberg«, sagte Peter. »Wir werden Euch beim Stadttor eingeholt haben.«
    Meister Gutenberg nickte, und ich musste tatenlos zusehen, wie er verschwand. Im Nu war sein Gesicht mit dem langen Bart im Gewirr der auf und ab hüpfenden Köpfe untergetaucht. Er ahnte nicht, dass ich nicht zurückkehren würde. Ich musste fest die Augen zukneifen, um meine Tränen zurückzuhalten.

    »Da«, sagte Peter und drückte mir eine flache Holzschale in die Hand. »Damit ist deine Ausstattung vollständig - du kannst die Schale unterwegs zum Betteln benutzen. Jede Hilfe wird dir nützlich sein.«
    Er zwinkerte mir zu und gab sich Mühe, mich aufzuheitern, dann trat er zurück und begutachtete sein Werk.
    Ich warf einen kurzen Blick in den Spiegel an der Wand: Ein alter Mann starrte mir entgegen. Peter hatte alles dafür getan, dass ich wie der ärmste Bettler der ganzen Christenheit aussah. Meine schmächtige bucklige Gestalt steckte in einem groben Leinenkittel, und daran hing, wie eine Narrenkappe, eine lange spitze Kapuze. Meine Augen waren ungewöhnlich rund und groß, mein Rücken war verwachsen.
    Die Veränderung meines Äußeren verstärkte nur meine düsteren Ahnungen. Noch heute würde ich nach Oxford aufbrechen. Unbekannte Länder lagen vor mir: kalte Gegenden im Norden, rätselhafte Städte im Osten und Westen, plündernde Türken irgendwo im Süden - und die Insel, die ich schließlich finden musste, war von einem unermesslich großen Wasser umgeben. Die Beine wurden mir schwach, als wäre ich schon auf hoher See.
    Ich hatte gehofft, dass Peter mich vielleicht doch begleiten würde. Er war schon weit herumgekommen und hätte mich vor Dieben und Halsabschneidern beschützen können, aber ich hatte seine Liebe zu Christina unterschätzt. Das Mädchen hatte sich als die größere Versuchung herausgestellt. Peter war ihrem Vater zu Dank verpflichtet, jedenfalls so lange er noch nicht unabhängig war und um ihre Hand anhalten konnte. Er versprach mir, auf Meister Gutenberg aufzupassen und ihn, wenn nötig, zu verteidigen.
    Ich griff nach meinem hölzernen Stab, halb Wanderstock, halb Waffe, und schlurfte hinter Peter her zum Kamin.
    Diesen Augenblick hatten wir viele Male durchgespielt, seit wir vor vier Tagen aus Frankfurt zurückgekommen waren, aber das machte es trotzdem nicht leichter, jetzt, wo die Zeit endgültig gekommen war. Wir traten vor die offene Truhe, jeder von uns von Zweifeln und Befürchtungen geplagt.
    Mit dem Drachenhaut-Pergament war eine wunderbare Verwandlung vor sich gegangen, als hätte es von der bevorstehenden Reise gewusst: Die einzelnen Bogen hatten sich zu einem prächtigen Buch

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