Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches
Hornist unerwartet in das Schweigen, und ein dünnes, nervöses Gelächter plätscherte durch die Menge. Fust hielt inne und funkelte die Umstehenden wütend an.
»Ihr Narren«, schnauzte er. »Jetzt lacht ihr, aber ihr habt keine Ahnung, was auf euch zukommt!«
Das Gelächter erstarb. Mit langen forschen Schritten betrat Peter den Schauplatz. Kühn und mit entblößter Brust blickte er als Adam seinem Herrn freimütig ins Gesicht. Dann, unter stürmischen Beifallsrufen, stellte sich Christina hinter ihn und legte ihm als Eva den Arm um die Taille.
Fust als Papst hob anklagend den Finger gegen sie.
»Ihr!«, zischte er und konnte seine Wut kaum zügeln. »Das habt alles ihr zwei zu verantworten! Ihr seid schuld!«
Etliche Zuschauer hielten diese Rede für einen Teil der Darbietung und lachten.
Wutschnaubend drehte sich Fust nach ihnen um. »Narren«, zeterte er wieder und fuchtelte mit den Händen, dass seine Juwelenringe blitzten. »Verdammte Narren allesamt!«
Aber sein Ausbruch steigerte jetzt nur die allgemeine Heiterkeit. Die Leute brachen in johlendes Gelächter aus und überschütteten den Papst mit Hohn und Spott.
Sofort hoben Peter und Christina die Hände und brachten die Menge zum Schweigen. Langsam und mit einem Anflug von Traurigkeit in ihren Stimmen fingen sie zu singen an:
»König, Narr und Arm und Reich, Vor Gottes Antlitz seid ihr gleich. Erde und Staub du werden musst, Wir fordern deine Seele: Johann Fust ...
Fust sah sie mit Abscheu an, dann, als er seine Situation begriff, verzog sich sein Mund zu einem höhnischen Grinsen.
»Nein! Ich komme nicht mit! Ihr könnt mich nicht zwingen!«
Peter und Christina - als Adam und Eva - wiederholten den Vers und wiesen darauf hin, dass Fust in seiner Rolle als Papst und damit als herausragendes Mitglied der Prozession als Erster zum Grab geführt werden müsse. Während die beiden sangen, erschienen aus dem Hintergrund Skelette, bewegten sich still und heimlich auf Fust zu und schickten sich an, ihn als ihr erstes Opfer zu holen. War Fust zum Grab gerufen, würde er als Toter in stillem Gehorsam warten müssen, bis alle Bürger von Mainz neben ihm lagen, vom vornehmsten Ritter bis zum ärmsten Bettler. Am Ende des symbolischen Tanzes würde dann Gott herabsteigen und alle wieder zum Leben erwecken, aber dann würde ich längst fort sein ...
Nacheinander näherten sich die Skelette Fust, verbeugten sich vor ihm und forderten ihn auf, den Totentanz mitzumachen.
Fust geriet außer sich. »Nein! Ich gehe nicht mit! Nie! Ihr könnt mich nicht holen!«
Er rannte vor ihnen her, befahl den Leuten, ihn durchzulassen, aber die Zuschauer stellten sich ihm als eine Mauer aus Körpern in den Weg.
Peter und Christina kamen unaufhaltsam näher.
Noch einmal versuchte Fust zu fliehen, da versetzte ihm ein schalkhafter Teufel, der Ärger witterte, einen Tritt ins Hinterteil und brachte ihn zu Fall. Wie ein Kleinkind, auf Händen und Knien kriechend, bewegte sich Fust von seiner Tochter und seinem selbst erwählten Schwiegersohn weg.
Die Skelette versperrten ihm den Weg.
Gleichmütig sahen Peter und Christina zu, wie Fust, der wild um sich schlug, an Armen und Beinen weggeschleppt wurde. Die Menge jubelte, als er schließlich ins Reich der Toten geschafft war und die Musikanten auf der Stadtmauer dazu ihre Instrumente ertönen ließen. Das Letzte, was ich von Fust sah, war, wie er von einer Horde Teufeln und Dämonen zu Boden gedrückt und gezwungen wurde, still neben einem offenen Grab zu liegen. Sogar unter deren Hufen und Klauen krümmte er sich noch, weil er mich verfolgen und das Buch wiederhaben wollte.
Peter und Christina schüttelten die Köpfe und suchten in der Menge nach dem Nächsten, der sich in den Totentanz würde einreihen müssen. Sosehr ich mir auch wünschte, sie würden mich wählen, zwang ich doch meine Schritte in die andere Richtung.
Ich stolperte zwischen den erregten Menschen hindurch: ein unauffälliger Betder, behindert von einer Last auf seinem Rücken, der auf den schützenden Schatten des großen Doms zuhielt. Nur einmal, als ich Peters Stimme hörte, die sich über der Menge erhob, blickte ich zurück.
Nackt sind wir geboren, nackt werden wir gehn.Seht, wie bald eitle Pracht muss verwehn.Gott schütze den Jungen, wohin er sich wendet,Wir sehen uns wieder, wenn das Leben endet.
Ich wandte mich ab. Durch die plötzlich freudlos gewordene Stadt machte ich mich auf meinen einsamen Weg, meiner Zukunft
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