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Endzeit

Endzeit

Titel: Endzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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dem Gedanken, ihre langen rotblonden Haare in meine Hände zu nehmen und ihren seidigen Glanz zu spüren.
    Wenn die beiden nicht anwesend waren, nannten wir sie immer nur »Die Schöne und das Biest«. Nun ja, Peter war zwar nicht gerade der Glöckner von Notre Dame, doch gegen etwas so Vollkommenes wie Jane wirkte er einfach deplaziert.
    Aber das war wohl das Geheimnis ihrer Beziehung: der existierende Beweis dafür, daß sich Gegensätze tatsächlich anziehen. Und das seit immerhin schon seit sieben Jahren.
    Peter drückte den Lichtschalter, und es erschien mir wie ein Wunder, daß tatsächlich eine düstere Deckenlampe aufflammte. Dunkle, bizarre Schatten, die ihren eigentlichen Ursprung in der verwinkelten Architektur hatten, entstanden in Dutzenden von Ecken und Erkern, die kaum ein Ebenmaß zuließen oder gar auf bewußt geplante Ordnung schließen ließen.
    Draußen war es zwar noch heller Nachmittag, aber zumindest in dem Korridor war es ohne Licht stockdunkel gewesen. Obwohl er so riesig wie eine Halle wirkte, gab es nirgendwo ein Fenster oder einen Lichtschacht nach draußen. Das wenige Licht, das hereinfallen konnte, kam durch den Vorflur.
    »Die alte Dame, der das Haus gehörte, hat bis vor zwei Wochen noch selbst hier gewohnt«, sagte Peter. »Deswegen sind auch der Strom und das Wasser nicht abgestellt worden. Über kurz oder lang kann natürlich zumindest die Elektrik hier ihren Geist aufgeben. Ist alles uralt und brüchig. Genau wie die Wasserrohre. Von denen weiß ich nicht mal, wo sie genau herlaufen. Es gibt nämlich keine Pläne mehr. Na ja, ich will froh sein, daß wir heute schon mit der Renovierung anfangen können. Es kam ja alles ein wenig plötzlich .«
    »Das hast du mir noch gar nicht richtig erzählt«, meinte ich. »Diese Frau.«
    »Die alte Petrikowski .«
    »Genau. Woran ist sie eigentlich gestorben?«
    »Unterhalten wir uns später darüber«, drängte Jane und schob mich weiter. »Geradeaus ist die Küche, wenn ich mich recht erinne-re. Wenn wirklich noch alles funktioniert, mache ich uns erst mal einen Tee.«
    »Scheint ja alles sehr geheimnisvoll zu sein«, konnte ich mir nicht verkneifen. »Immer wenn ich dieses Thema anschneide, vertröstet ihr mich auf später.«
    »Wir wissen halt selbst noch nichts Genaues«, sagte Jane. »Und außerdem haben wir jetzt doch ganz andere Sorgen, oder nicht?«
    »Wichtig ist vor allem«, sagte Peter, »daß wir das Haus möglichst schnell in Schuß bekommen, um hier einigermaßen erträglich hausen zu können. Alles andere ist mir, ehrlich gesagt, im Moment egal .«
    Ich gab mich damit zufrieden, obwohl ich es mir in meinem Hinterkopf notierte, den beiden zu einem günstigeren Zeitpunkt auf den Zahn zu fühlen. Sie verheimlichten mir etwas, das spürte ich.
    Vielleicht hatten sie der alten Dame mehr zugesetzt, als sie selbst wahrhaben wollten. Vielleicht hatte sie sich gar nicht freiwillig von diesem Haus lösen können. Und vielleicht fühlten sie sich dadurch gar mitschuldig an ihrem plötzlichen Tod .
    Aber Peter hatte recht: Wichtiger war, daß wir unsere Gedanken jetzt darauf konzentrierten, wie wir hier am effektvollsten »Klar Schiff« machten. Dafür war ich schließlich mitgekommen. Alte Freunde ließ man nicht im Stich. (Außerdem wußte man nie, wofür man sie noch einmal brauchen konnte ...)
    Wir waren fast eine Stunde gefahren, durch strömenden Regen und über schmale, glitschige Landstraßen, ehe wir Wolfham erreicht hatten.
    Wolfham, das war für mich früher nur ein Name gewesen. Eine unbedeutende Kleinstadt, eingemeindet irgendwann in den Siebzigern, und weit abgelegen. Erst von Peter hatte ich erfahren, daß hier eine umfangreiche Schlittenhundezucht betrieben wurde. Außerdem gab es entlang des schmalen, schmutzigen Flusses etliche metallverarbeitende Fabriken, die sich in dem Tal angesiedelt hatten, heute aber größtenteils verfallen waren oder kurz vor dem Konkurs und der Stillegung standen.
    Es war eine Reise in eine andere Welt gewesen: Als wir aus New York losgefahren waren, hatte dort gerade die freitagnachmittägliche Rushhour begonnen. Das Leben brandete durch die Straßen. Hupende Autos, aus den Büros strömende Angestellte, hastig ihre Wochenendeinkäufe tätigende Passanten. New York, das war die funkelnde Vorzeigeseite der Medaille, und Wolfham die ländliche, abgelegene Kehrseite davon.
    Seltsamerweise konnte ich das Bild der Rushhour nicht aus meinen Gedanken verbannen, so als wünschte ich mich mit aller Kraft

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