Endzeit
Ordnung?«
Nein, möchte ich am liebsten sagen. Bringen Sie mich hier weg, bevor ich sterbe.
»Wir haben über Sex geredet«, erklärt Bethany begeistert. »Wer’s mit wem treibt.« Ned schaut mich ausdruckslos an, und ich bringe ein kleines, neutrales Achselzucken zustande. Bethany aber gerät in Fahrt. »Ned, Sie wichsen ganz schön oft, was?« Sein Gesicht verspannt sich, und unter den Bartstoppeln zuckt ein Muskel. Sie grinst. »Sie vermissen Ihren Freund, nehme ich an. Oder sollte ich sagen, Ihren Ex-Freund? Sie werden das auf den ersten Blick vielleicht nicht glauben, Roller, aber Ned steht auf Schwänze.« Sie wirft mir einen triumphierenden Blick zu, als hätte sie im Lotto gewonnen.
Ich werde rot. Natürlich. Neds Kiefer mahlt, als würde er etwas kauen, sein Adamsapfel tritt hervor. Ich empfinde ungeheures Mitleid. Er stellt das Tablett auf den Tisch und gießt Kaffee ein.
»Ich kann mich nicht erinnern, dass ich mein Privatleben mit dir diskutiert hätte, Bethany.«
»Haben Sie auch nicht. Aber ich hab’s gespürt. Das kann ich, stimmt’s, Roller? Eine meiner aufreizenden Eigenschaften.«
Ned schaut mich fragend an. Ich schüttle den Kopf. Erstaunlich ist nur, dass sie so lange damit gewartet hat.
Ich kann hören, wie sich Frazer Melville und Kristin Jonsdottir vor dem Fenster leise und dringlich unterhalten. Ich muss hier weg, sonst bringt es mich um. Aber Bethany mit ihrem Gespür für Turbulenzen schreitet ein: Mit einer raschen Bewegung hat sie meinen Rollstuhl weggestoßen. Er rollt lautlos durchs Zimmer und bleibt außerhalb meiner Reichweite an der Tür stehen.
|258| »Gefangen. Gestrandet.«
Ich sehe Ned an, der den Rollstuhl pflichtschuldig wieder neben die Chaiselongue schiebt, sodass ich ihn festhalten kann. Das Gespräch draußen verstummt, und ich schlucke, als sich Schritte nähern. Nur eine Person. Ich kann nicht hinschauen, als die Tür aufgeht. Doch ich weiß, es ist der Physiker. Ich spüre, wie er in der Tür steht und sie mit seiner großen Gestalt ausfüllt.
»Gabrielle. Gott sei Dank, dass du hier bist. Es hat alles funktioniert.« Frazer Melville klingt aufgeregt und scheint den seelischen Schmerz, der das ganze Zimmer erfüllt, nicht zu bemerken. »Hi, Bethany, hi, Ned.« Ich trinke einen Schluck Kaffee, versuche, diese winzige Flucht aus der Wirklichkeit zu genießen und seine Anwesenheit auszublenden.
»Ich habe Gabrielle gerade von Ihnen und Kristin erzählt«, sagt Bethany und grinst übers ganze Gesicht wie ein Wasserspeier, wobei sie eine geschwärzte Zunge offenbart. »Aber jetzt, wo Sie hier sind, können Sie es ihr auch selbst erzählen.«
Warum ist sie nicht an dem elektrischen Schlag gestorben?
Ich erröte heftig und wende mich ab. Er kommt auf mich zu, doch als er meinen Gesichtsausdruck sieht – einen Ausdruck, den ich einfach nicht verbergen kann –, hält er abrupt inne, und sein Lächeln verschwindet. Bethany holt theatralisch Luft.
»Ooh, sie ist wütend, Frazer, ich muss Sie warnen! Passen Sie lieber auf Ihre Eier auf! Wir sehen uns später!«
Hochzufrieden schnappt sie sich ihre Haribos, schlüpft unter seinem Arm hindurch und rennt aus dem Zimmer.
Ned, der mir gegenüber auf dem Sofa sitzt, trinkt schweigend seinen Kaffee und scheint in seine eigenen schmerzlichen Gedanken vertieft. Der Physiker und ich schauen uns an. Ich sehe den grünen Fleck, will mich aber nicht davon überwältigen lassen. Ich sehne mich zurück nach meinem Rollstuhl, aber wenn ich jetzt hineinstiege, würde ich meine Schwäche offenbaren. Bethany hat recht. Ich sitze fest.
»Gabrielle«, sagt er sanft.
|259| Er kommt näher. Was will er, mich umarmen? Als ich zurückzucke, zögert er und setzt sich seufzend in den Sessel neben meiner Chaiselongue. Er ist so groß und nah. Die Sehnsucht nach ihm tut weh, und ich hasse mich dafür.
»Wir haben dir nichts gesagt, um dich zu schützen.« Seine Stimme ist weich, aber mit einer Spur von Trotz.
»Von wegen.« Es ist egal, denke ich düster. Darum geht es ohnehin nicht.
»Es stimmt aber«, sagt Ned und schenkt mir Kaffee nach. Ich atme scharf ein und spüre die Galle im Blut. »Ich kann verstehen, dass Sie wütend sind. Aber Frazer hat gedacht, Sie würden Ihre Stelle verlieren und große Schwierigkeiten bekommen. Persönlich und beruflich. Im Ernst, Gabrielle, wir haben es uns gründlich überlegt.«
»Ich habe meine Stelle auch so verloren.«
»Oh nein«, sagt Frazer Melville. »Mein Gott. Das tut mir so leid,
Weitere Kostenlose Bücher