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Endzeit

Endzeit

Titel: Endzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Jensen
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»Und, Kristin? Was hat Harish Modak gesagt?«
    |262| Sie holt tief Luft. »Er zögert noch immer.«
    »Ich rufe ihn an«, sagt der Physiker und springt auf. Offenbar kann er gar nicht schnell genug aus dem Zimmer kommen. »Ned, vielleicht könntet du und Kristin Gabrielle auf den neuesten Stand bringen.«
    »Klar doch«, sagt Ned, nimmt einen Laptop vom Boden und schaltet ihn ein. »Eine Minute, dann bekommen Sie die ganze Show.«
    »Also, Kristin. Geologie«, sage ich, als sich die Tür hinter dem Physiker geschlossen hat. Ich hole das Donnerei aus dem Beutel unterm Sitz. Am liebsten würde ich es ihr an den Kopf werfen, halte es ihr aber nur hin. Sie nimmt es, und ein wunderbares Lächeln erhellt ihr Gesicht. Ihre Augen sind von einem zarten Grüngrau. Sie wiegt es in der Hand und schüttelt es. »Massiv. Waren Sie nie versucht, es aufzubrechen?«
    »Ich warte noch auf den richtigen Moment. Es ist ein Erbstück.«
    Sie lächelt. »Woher stammt es?«
    »Nevada.«
    »Falls es aus der Black Rock Desert kommt, dürfte es eine Opal-Füllung besitzen. Oder Achat. Es gibt auch Mischungen.« Also kann sie einen Stein so schnell identifizieren wie ich einen Bekloppten. Ich fürchte, dass mein Hass tiefer ist als die größte Liebe. Sie gibt mir das Donnerei und legt dabei ihre Hand über meine, sodass der Stein in der Mitte eingeschlossen ist. »Sie sind wütend auf mich. Zu Recht. Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen.«
    Ich schrumpfe in mich zusammen. Sie schaut mir mit entsetzlicher Ruhe in die Augen. Ich reiße meine Hand abrupt weg. Das Letzte, womit ich gerechnet habe, ist diese Offenheit. Das ist mehr, als ich ertragen kann. Ich atme in mich hinein. Dann muss ich ebenfalls offen sein.
    »Ja, das glaube ich auch.«
    Ned betrachtet uns interessiert. Auf Kristin Jonsdottirs Wangen sind rote Flecken erschienen.
    |263| »Ich habe mich unverzeihlich verhalten, als Sie mich aus heiterem Himmel angerufen haben. Leider bin ich in Panik geraten. Mir ist nie in den Sinn gekommen, dass Sie mich aufspüren und anrufen könnten. Damit haben Sie mich völlig auf dem falschen Fuß erwischt.«
    »Darauf möchte ich wetten.«
    »Sie sind eine gute Detektivin.«
    »Eigentlich nicht. Ich bin nur einigen Hinweisen gefolgt.«
    Ned mischt sich besorgt ein. »Ich habe doch gesagt, dass es uns alles andere als leichtgefallen ist, Sie im Dunkeln zu lassen.« Er erhebt sich vom Sofa und beginnt, ein weißes Bettlaken an Nägeln über dem Kamin zu befestigen. Anscheinend dient es als improvisierte Leinwand.
    »Ich kann mich nur noch einmal entschuldigen«, sagt Kristin. »Als Frazer mir die Zeichnungen zeigte und von Bethanys Fähigkeiten erzählte, wollte ich mit Ihnen reden. Er aber bestand darauf, Sie nicht in unsere Intervention hineinzuziehen, weil es Ihnen beruflich schaden würde.«
    » Intervention
ist ein interessanter Euphemismus für das, was Sie getan haben. Also, wann haben Sie sich überlegt, meine Patientin zu entführen?« Aus dem Augenwinkel registriere ich Neds wachsendes Unbehagen.
    »Nachdem wir erfahren hatten, dass sie in eine andere Einrichtung verlegt werden sollte, wo wir keinen Zugang zu ihr gehabt hätten. Die Tatsache, dass sie sich in einem öffentlichen Krankenhaus befand, machte es natürlich einfacher.«
    Sie schaut hinunter auf den dunklen Holzboden, als überlege sie, ob sie ihn polieren solle und mit welchem Produkt sie das bestmögliche Ergebnis erreichen könne. Es ist so offenkundig, dass sie sich des Schadens, den sie angerichtet hat, nicht bewusst ist und dass sie unter meiner Feindseligkeit leidet, dass es beinahe wehtut.
    Ned tritt zurück, betrachtet sein Werk und platziert den Laptop so, dass der Bildschirm auf die Leinwand gerichtet ist. Er stellt |264| das Bild scharf. Kristin Jonsdottir beugt sich vor, die Hände verschränkt, und sieht mich ernst an. Trotz ihrer makellosen Haut und der schönen, vergeistigten Züge schaut sie sicher selten in den Spiegel. Sie hat es nicht nötig. Sie hat es nicht nötig, weil sie weiß, wer sie ist. Ihre Sedimente haben sich gesetzt, denke ich neidisch, während meine noch umherwirbeln. Darum findet Frazer Melville sie auch so unwiderstehlich. Vielleicht hat es gar nichts mit meiner Lähmung zu tun. Vielleicht ist es tausendmal schlimmer.
    »Bethanys Zeichnungen haben mich fasziniert, die Art und Weise, wie sie diese Bilder verarbeitet hat. Diese Projektionen, diese   …« Ihr isländisches Säuseln verstummt.
    »Visionen«, ergänze ich. »Psychotische

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