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Endzeit

Endzeit

Titel: Endzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Jensen
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Oberfläche auf. Sollte es gelingen, Hydratfelder sicher abzubauen, gäbe es keine Energieprobleme mehr. Methan ist sauberer als Öl oder Kohle, wenn man richtig damit umgeht. Man kann alles damit antreiben, und es ist in unvorstellbaren Mengen vorhanden. Allerdings ist es sehr flüchtig. Folglich kann es mehr kosten, als jemals jemand für irgendetwas bezahlt hat.«
    »Aber die Klimaabkommen   …?«
    Ned Rappaport gibt ein düsteres Knurren von sich. »Über die hat man sich hinweggesetzt, noch bevor sie unterzeichnet waren. Sie sollten niemals die Heuchelei und den Egoismus der Regierungen unterschätzen.« Er erschlägt ein weiteres Insekt. Er scheint sie förmlich anzuziehen. »Hinzu kommt der menschliche Hang zum Wunschdenken. Und zur Kurzsichtigkeit. Politiker sagen das eine und tun das andere. Nach Logik dürfen Sie dabei nicht suchen.«
    »Wenn also etwas passiert   …«
    »Dann sind wir, brutal ausgedrückt, am Arsch.«
    Ich fahre schweigend weiter.
    Hinter Thornhill halten wir uns in nördlicher Richtung, kreuzen die M25 und fahren nach Norfolk. Irgendwo zwischen Ely und King’s Lynn passieren wir ein Gebiet mit Einkaufszentren, Wohnsiedlungen und Fabriken, bevor uns wieder flaches Land umgibt: gefurchte Äcker verschmelzen mit einem Horizont, der mit Leitungsmasten und vanillepuddinggelben grasenden Schafen gespickt ist. Wir fahren auf einer geraden Straße, die von jahreszeitlich verirrten Schlüsselblumen und einem tintenschwarzen, |251| stinkenden Kanal gesäumt wird. Die Sonne lauert hinter geronnenen grauen Wolken. Es riecht nach Silage und verbrannten Pflanzen, vermischt mit einem Hauch Chemie. Nach fünfzehn Kilometern biegen wir in einen Feldweg ein, an dem Brennnesseln, Heckenrosen mit roten Früchten und vereinzelte Fleckchen Senf wachsen. Ich öffne das Fenster und rieche Diesel und Rapsöl. Wir fahren um eine Biegung, und die Landschaft weitet sich und gibt den Blick auf einen flachen Hügel und ein graues Steinhaus frei, dessen Garten von einer Backsteinmauer mit Fischgrätmuster umgeben ist. Dahinter sieht man einen Teich, umstanden von Birken, ein verlassenes Treibhaus und ein riesiges Windrad, das traurig und würdevoll rotiert.
    »Es ist abgelegen, aber wir können trotzdem nicht lange hierbleiben«, sagt Ned. Er wirkt jetzt angespannt, als wäre sein morgendlicher Besuch in Thornhill nur die kurze Unterbrechung einer unerträglichen, endlosen Situation gewesen. »Wir müssen bald woanders hin. Sie können hinter dem Haus parken.«
    Mir stockt der Atem, als wir am Windrad vorbeifahren.
    Da ist sie.
    Sie kehrt uns den Rücken zu, aber ich erkenne sie sofort. Ihr Haar ist heller als auf dem Foto. Und feiner. Wie heller, gesponnener Honig. Sie telefoniert gerade. Ich weiß nicht, wie ich diese Begegnung durchstehen soll.
    »Da ist Kristin«, sagt Ned. Ich versuche, interessiert statt entsetzt auszusehen. »Ich hoffe, sie spricht gerade mit Harish Modak.«
    Modak, der Planetarier mit dem verschleierten Blick. Die graue Eminenz der Ökobewegung. »Welche Verbindung hat sie zu ihm?« Als sie das Motorengeräusch hört, dreht sich Kristin Jonsdottir um, lächelt und zeigt auf das Telefon. Ned winkt zurück.
    »Seine Frau Meera war Kristins berufliche Mentorin. Und auch eine Art Mutterfigur. Nach Meeras Tod blieb Kristin mit Harish Modak in Kontakt.« Sie trägt einen langen Pullover, unter dem sich ihre Brüste und Hüften abzeichnen. »Modak ist im Augenblick |252| unsere größte Hoffnung. Wenn wir ihn ins Boot holen können, erhalten wir auch die nötige Aufmerksamkeit.«
    »Und wenn nicht?« Ich kann verstehen, dass der Physiker sie gern in seinen Armen halten will. Welcher vernünftige Mann würde das nicht wollen?
    »Ich würde Ihnen gern eine Alternative nennen, aber ich habe keine.«
    Im Grunde kann ich es ihm nicht verdenken.
    »Was, wenn es uns nicht gelingt, Modak zu überzeugen?« Ich versuche, mich mit der Frage von meinen anderen Überlegungen abzulenken.
    »Es muss gelingen«, sagt Ned und deutet nach vorn. »Sie können da drüben parken. Darum war Frazer auch in Paris. Er hat Bethanys Zeichnungen mitgenommen und auch alles andere, was er in die Hände bekommen konnte. Aber Modak ist ein schwieriges altes Schlitzohr. Er verlangt weitere Beweise.«
    Ich parke. »Wird er sich dann öffentlich äußern?«
    Ned unterdrückt ein Niesen und öffnet die Beifahrertür. »Das weiß man bei ihm nie so genau. Er ist achtundsiebzig. Hat keine Kinder. Empfindet keine sonderlich große

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