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Endzeit

Endzeit

Titel: Endzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Jensen
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sich noch nicht an das Licht gewöhnt, daher sehe ich sie nicht hereinkommen.
    Ich höre sie auch nicht. Bis   …
    »Buh!«
    Ich zucke zusammen und unterdrücke einen Aufschrei.
    |255| »Da hab ich Sie aber erschreckt, Roller.«
    Noch feucht von der Dusche, das T-Shirt voller Wasserflecken, die Kopfhaut mit kurzen Stoppeln bewachsen, erinnert Bethany Krall an eine wahnsinnige Voodoo-Puppe. Ihre verbrannten Arme leuchten in einem üblen, gelb geränderten Violett, die Hände sind mit kaputter, blasiger Haut bedeckt. Sie breitet die Arme aus und wackelt theatralisch mit den Fingern. Sie erinnern an furchtbar entstellte Seesterne.
    »Bethany, ich freue mich, dich zu sehen.«
    »Passen Sie auf, sonst wird noch ein Lesbenpaar aus uns.«
    Sie kommt auf mich zu, aber zu schnell, die Arme ausgestreckt wie riesige mechanische Scheren. Ohne meinen Stuhl bin ich hilflos. Ich richte mich auf.
    »Wie geht es dir?« Ich brauche mehr Distanz zwischen uns. Sekunden später erfüllt sich mein Wunsch: Sie hat die Haribo-Packung auf dem Sofa entdeckt und reißt sie mit den Zähnen auf. Ich könnte mich verfluchen, weil ich sie nicht versteckt habe.
    »Was glauben Sie, wie es mir geht?« Sie springt barfuß auf den Couchtisch und steht da wie eine boshafte Elfe, mit feuchten Flecken auf den grünen Leggings, wo sie sich nicht richtig abgetrocknet hat. Aus der Tüte in ihrer Hand dringt ein süßlich-chemischer Geruch. Sie greift hinein, holt eine Lakritzschnecke heraus, entrollt sie ungeschickt und stopft sich das eine Ende in den Mund. »Hier ist es wie im Fünf-Sterne-Hotel. Wollen Sie auch eine?« Sie hat etwas vor. Ist froh, frei zu sein. Damit sie   …
    »Nein danke. Und pass auf, nicht zu viel Zucker.«
    Sie verdreht die Augen.
    Ich rutsche auf dem Sofa herum. Fühle mich verletzlich ohne den Rollstuhl. Bereue, dass ich ihn verlassen habe. Sie steht genau über mir und zuckt mit den zerstörten Händen.
    »Hey, ich habe so ein komisches elektrisches Gefühl in den Fingern.«
    »Das nennt sich Schmerz. Es ist ganz normal. Warum setzt du dich nicht hin?«
    |256| »Können Sie spüren, wie nahe wir am Meer sind?«, fragt sie, springt vom Tisch und geht ans Fenster. Sie kann keinen Moment ruhig bleiben. »Es haucht uns an. Fühlen Sie das? Riechen Sie das? Wenn Sie überleben wollen, müssen Sie ins Landesinnere.« Sie drückt die Jalousien weiter auseinander, Tageslicht strömt herein. Die Außenwelt, die Straße, die helle Landschaft, das Treibhaus, die kreisenden weißen Flügel des Windrads. »Hütten in den Bergen, so etwas brauchen wir. Ich würde ja hinfahren, aber dann verpasse ich das große Finale. Ich brauche Strom, Roller. Können Sie mir welchen besorgen?«
    Während sie spricht, fährt ein graues Auto vor. Ich ahne, wer darin sitzt. Angst überkommt mich. Zugleich taucht Kristin Jonsdottir hinter dem Treibhaus auf, steckt ihr Handy ein und geht zur Haustür. Sie sieht besorgt aus. Oder einfach nachdenklich. Ich frage mich, wie sie unsere Begegnung empfindet. Auf der Schwelle bleibt sie stehen und dreht sich um. Sie muss das Auto gehört haben.
    »Hier kommt Loverboy«, murmelt Bethany und folgt meinem Blick. Ich will mich abwenden. Aber ich kann es nicht. Er parkt und steigt aus. Kristin Jonsdottir läuft zu ihm hin. Ihr Gesichtsausdruck ist eindeutig. So hat mein Gesicht auch geleuchtet. Und mein Herz   …
    Ich kneife die Augen zu und schlucke, als sie sich umarmen.
    »Die haben gerammelt wie die Kaninchen«, konstatiert Bethany nüchtern. Die beiden haben sich voneinander gelöst. Sie redet erregt auf ihn ein und deutet zum Haus. Er wirkt erst erfreut, dann besorgt. »Schauen Sie sich die beiden bloß an. Er kann gar nicht genug von ihr kriegen.« Sie legt den Kopf in den Nacken, beißt von ihrem Lakritz ab und schaut mich von der Seite an. »Sie ist eine echte Stöhnerin. Stundenlanger Orgasmus.« Bethany hält inne und sieht mir prüfend ins Gesicht. »Er ist aber auch ganz schön laut. Wenn er kommt, brüllt er förmlich. Stimmt’s, Roller?« Sie grinst. »Er brüllt wie ein Löwe.«
    Gewaltsam löse ich meine Augen vom Fenster und mache sie |257| zu, um die Erinnerung zu vertreiben. Ich befinde mich im freien Fall, stürze ins Nichts.
    Ich bin nicht nur nackt, sondern gehäutet.
    »Kaffee«, verkündet Ned, als er mit dem kleinen Tablett hereinkommt. »Kolumbianischer. Frazer hat gesagt, das ist Ihr Lieblingskaffee, ich habe ihn extra besorgt. Ich sehe, du hast die Haribos gefunden, Bethany. Hallo, alles in

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