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Endzeit

Endzeit

Titel: Endzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Jensen
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würden
Sie
denn wollen? Die Löwen haben ihn nicht gefressen. Er hat überlebt.« Sie hustet und kneift die Augen zu.
    »Was willst du damit sagen, Bethany? Dass wir in die Höhle des Löwen gehen sollen, ist es das?«
    Sie nickt kaum merklich.
    »Was ist los?«, erkundigt sich Frazer Melville.
    »Bitte lächeln und aussteigen«, sage ich und öffne die Tür.
    Als der Prediger sein Gespräch mit dem Wachmann beendet hat und zu uns herüberkommt, habe ich mich in den Rollstuhl manövriert. Die Leute starren mich unverhohlen und schamlos an, doch das ist mir egal. Ich will das, was die Löwen wollten. Und werde alles dafür tun.
    Ich rolle vorwärts, begrüße den Mann und strecke die Hand aus. Er ergreift sie nicht. »Ich bin Gabrielle Fox.« Doch er ist nicht an mir interessiert. Er trägt seinen Abscheu vor Bethany offen zur Schau. Er hat durchdringende blaue Augen, die seltsam dreieckig aussehen. »Wir haben Bethany Krall hergebracht.«
    »Das sehe ich«, erwidert er. »Wir haben in unserer Gemeinde viel über dieses Kind gehört. Und wir haben für das Kind gebetet.« Bethany lässt den Kopf hängen, und Frazer Melville legt ihr väterlich die Hand auf die Schulter.
    |367| »Dann ahnen Sie sicher, weshalb wir sie heute hergebracht haben.« Ich lächle weiter. Sein gepflegtes Gesicht verzieht sich zu einem Fragezeichen. »Vermutlich wissen Sie, dass ich ihre Therapeutin bin. Bethany und ich haben viel miteinander geredet. Sie hat ihre Seele erforscht, wie Sie sich vorstellen können.« Er schaut abschätzend von mir zu Frazer Melville und Bethany. »Sie weiß, was sie getan hat. Sie leugnet ihre Vergangenheit nicht. Aber sie möchte ihren Vater um Vergebung bitten. Wir haben gehört, dass Leonard hier für Bethany beten wird, deshalb sind wir gekommen.« Das scheint ihn umzuhauen. Er öffnet den Mund, überlegt es sich aber anders. Ich nutze seine Verwirrung und dränge weiter. »Sie möchte zu Gott zurückkehren. Das stimmt doch, Bethany?« Sie blickt einen Moment lang völlig ausdruckslos. Ihre Pupillen sind geweitet, ihre Augen schauen ins Leere, als hätten die Krämpfe den Sehnerv beschädigt. Doch sie nickt. »Sie möchte an der Entrückung teilhaben.« Ich senke die Stimme. »Gerade eben hat sie mir die Geschichte von Daniel in der Löwengrube erzählt. Genauso fühlt sie sich jetzt. Ein bisschen nervös. Stimmt’s, Bethany?« Sie neigt den Kopf, und ich lächle krampfhaft weiter. »Verständlich. Aber sie ist ein tapferes Mädchen. Sie ist bereit, sich ihrer Tat zu stellen. Ich bin stolz auf sie.«
    »Siehe, ich sage euch ein Geheimnis
«
, verkündet Bethany schwermütig.
» Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden; und dasselbe plötzlich, in einem Augenblick
. Ich will zu meinem Vater.«
    Der Prediger sagt nichts, aber ich spüre, wie es in ihm arbeitet.
    »Als Mann Gottes können Sie ihr diese Chance nicht verwehren«, sage ich laut. »Vor allem nicht heute.«
    Ein Murmeln erhebt sich unter den Ordnern und pflanzt sich in der Zuschauermenge fort.
    »Können Sie das bestätigen?«, fragt der Prediger Frazer Melville. Er scheint entschlossen, Bethany nicht direkt anzusprechen, als könnte sie seine Seele infizieren. Ich spüre, wie Frazer Melville rasch abwägt.
    |368| Genau wie ich antwortet er mit lauter Stimme, damit ihn alle hören können. »Ja. So habe ich es verstanden. Bethany und Gabrielle haben hart gearbeitet. Sie haben große Fortschritte gemacht.« Er hat den richtigen Ton gewählt, die Offenheit von Mann zu Mann. »Emotional und spirituell.« Er nickt, als würde er seine eigenen Worte beurteilen und für gut befinden. »Ja. Ich würde definitiv sagen, dass sie spirituell hart gearbeitet haben. Bethany verspürt den aufrichtigen Wunsch nach Vergebung. Ich meine, warum wären wir sonst gekommen?«
    Wir alle schauen den Prediger an. Er zögert.
    Schließlich bricht Bethany das Schweigen. Sie spricht zu der Menge ebenso wie zu dem Prediger. »Ich möchte fragen, was Matthäus Ihrer Ansicht nach in Kapitel sechs, Vers vierzehn und fünfzehn meint.« Mich überläuft ein leiser Schauer. Ihre Stimme klingt ganz anders als sonst: überzeugend und selbstsicher. Kein Zweifel, sie ist die Tochter von Leonard Krall. »Darf ich Sie daran erinnern, was er gesagt hat? Er sagte:
Denn so ihr den Menschen ihre Fehler vergebet, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben
.« Sie hält inne.
»Wo ihr aber den Menschen ihre Fehler nicht vergebet, so wird euch euer Vater

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