Endzeit
Bethany bedeutet. Wie sie die vierundzwanzigstündige Überwachung in den nächsten beiden Tagen überstehen wird. Der Profi in mir macht sich diese Gedanken. Doch die Frau, die soeben mit einer Kopfverletzung aus dem Krankenhaus gekommen ist, wegen der man ihr zehn Quadratzentimeter Haare abrasieren musste, möchte Bethany am liebsten für immer und ewig in Einzelhaft wissen. Und sie können ruhig den Schlüssel wegwerfen. Ich finde, manchmal darf man Verrückte hassen.
Frazer Melville kommt, um für uns ein Abendessen zu kochen. Im Vorfeld gab es heikle telefonische Verhandlungen, worauf ich mich schließlich bereit erklärte, den Tisch zu decken und ein »hammermäßiges Kleid« anzuziehen, während er den Rest erledigen würde. Nachdem ich ihm von dem Kampf, dem Schicksal seines Geschenks und meinen Haarproblemen erzählt habe, gelangen wir zu dem Schluss, dass es durchaus vorteilhaft ist, wenn |125| Bethany bis auf Weiteres isoliert bleibt. Ohne Zugang zu Fernsehen oder Computer, von denen sie ohnehin nicht viel zu halten scheint, können wir davon ausgehen, dass sie keine Hinweise oder Wetterprognosen im Internet suchen wird. Falls sie das je getan hat, was nicht gänzlich auszuschließen ist. Außerdem vereinbaren wir stillschweigend, Bethany für den Rest des Abends als Gesprächsthema auszuklammern. Ich hoffe, wir halten es durch.
Gibt es im Leben einen größeren Genuss, als einem Mann dabei zuzusehen, wie er in deiner eigenen Küche verlockende, ungewöhnliche Gerichte zubereitet und so viel Spaß dabei hat, dass er »oh ja« oder »wunderbar« ruft, während er Möhren schneidet, Muskatnuss reibt und Zitronen presst? Ich wüsste keinen.
»Ich beneide Männer um ihr ungeheures Selbstvertrauen«, sage ich, während ich dem Physiker bei der Arbeit zusehe.
Aus irgendeinem Grund hat das hammermäßige Kleid, für das ich mich entschieden habe (olivgrünes Leinen mit cremeweißen Tupfen) einen sehr tiefen Ausschnitt, und ich habe mir besondere Mühe mit meinem Make-up gegeben. Es klingt lächerlich, aber ich habe sogar grüne Pumps angezogen, die ich in einem früheren Leben gekauft habe. Sie passen perfekt zu meinem Kleid, wie dafür entworfen. Als ich die Reha verließ, sagte man mir, ich solle meine Schuhe immer eine Nummer größer tragen, um Druckstellen zu vermeiden. Doch als ich mich daranmachte, die grünen Schuhe mit allen anderen in die Altkleidersammlung zu geben, siegte die Eitelkeit über die Vernunft. Nun sitze ich hier in meinem grünen Kleid und den passenden Schuhen, die Haare über die kahle Stelle gekämmt, und hoffe bloß, dass ich nicht wie eine aufblasbare Sexpuppe aussehe.
»In meinem Fall ist dieses Selbstvertrauen absolut gerechtfertigt«, sagt er munter. »Ihre Geschmacksknospen können sich auf ein kulinarisches Feuerwerk freuen. Diese Weicheier von Londoner Sterneköchen können sich die Kugel geben. Hier, ein Glas Wein. Und, hat Bethany sich schon das Ohr abgeschnitten? Nein, sagen Sie nichts.«
|126| Während der Physiker schneidet, mischt und abschmeckt, zeige ich ihm einige meiner Zeichnungen und Gemälde, meine Kunstbuchsammlung und mein Donnerei.
»Es wird von Generation zu Generation weitergegeben«, sage ich und halte es ihm hin. »Meist bei Hochzeiten. Sehr symbolträchtig. Angeblich wird eines Tages etwas daraus schlüpfen.«
»Ein hübsches Exemplar«, sagt er, wischt sich die Hände an der Schürze ab und untersucht es. »Sie meinen also, dass es eines Tages von selbst zerbrechen wird?«
»Und ein Dinosaurier kommt zum Vorschein. Oder ein Meeresungeheuer, die Theorie gibt es auch.«
Er lacht und schneidet einen Bund Schnittlauch ab, steckt sich einen Halm in den Mund und mir auch einen. Wir kauen darauf wie Kühe, die die Qualität der Weide prüfen, während er den Rest mit dem Geschick eines Chefkochs hackt.
»Ich vermute, es ist eine Art Fruchtbarkeitssymbol.«
»Und Sie sollen – es ausbrüten? Wie eine Henne darauf sitzen?«
»Na ja, wenn sich jemand dafür eignet, dann wohl ich.«
»Und wenn es nicht zu Ihren Lebzeiten schlüpft?« Ein Lächeln umspielt seine Lippen. »Was ich, wie ich leider sagen muss, befürchte.«
»Dann muss ich es wohl weitergeben. Oder ein Waisenkind adoptieren.«
»Wie wäre es mit Bethany? Dann könnten wir heiraten und wären eine Familie.«
Ihm ist nicht klar, was er da gesagt hat. Ich atme tief durch und lache rasch. »Ein Fachmann für Turbulenzen, eine psychotische Mörderin und die Besitzerin eines magischen Eis. Da
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