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Endzeit

Endzeit

Titel: Endzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Jensen
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kann doch gar nichts schiefgehen.«
    »Sie sind eine Seelenklempnerin und könnten uns alle im Gleichgewicht halten.« Ich versetze ihm einen Klaps auf den Hintern, eine intime Geste, die mich leise erregt. »Ich würde auch versprechen, Sie niemals, niemals von oben herab zu behandeln«, sagt er und tätschelt mir gönnerhaft den Kopf.
    |127| Ich kann zwar nicht kochen, esse aber leidenschaftlich gern. Der erste Gang besteht aus Jakobsmuscheln mit Artischockenpüree und Bröckchen italienischer Blutwurst, was ich »überwäl tigend « nenne, da ich selbst in meinen kühnsten Träumen noch nie so etwas gekostet habe. Dann folgt Rehrücken in einer Sauce aus Preiselbeeren und Blauschimmelkäse, dazu ein Kartoffelgratin. »Sie sind ein hochgefährlicher Mann und werden mich womöglich umbringen«, sage ich.
    »Sie machen wirklich seltsame Komplimente. Aber lassen Sie noch ein bisschen Platz für mein
pièce de résistance
. Drei Arten von Schokolade. Eine Schokoladentorte mit Schokoladensauce und Mousse au chocolat. Garniert mit einem Zweiglein Minze. Sollten Sie sich also für eine Diät entscheiden, können Sie das Grünzeug essen, und ich nehme den Rest.«
    Als wir satt sind, gehen wir auf meine kleine Terrasse. Die Luft duftet nach Geißblatt und Gemshorn, und am Himmel hängt die riesenhafte Kugel der untergehenden Sonne. Der Physiker erzählt von seiner Mutter, die vor zwei Monaten in Aberdeen an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben ist. Er nimmt es ihr nicht übel, dass sie sich zuletzt um den Verstand getrunken hat; das Morphium wirkte nicht richtig. Er vermisst sie, zugleich ist er erleichtert. »Körper sind etwas Wunderbares, solange sie funktionieren«, sagt er abschließend. »Wenn nicht, ist es furchtbar.« Er wird rot. »Oh verdammt, was für ein Fauxpas.«
    »Gar nicht. Ich bin ganz Ihrer Meinung. Und ich werde auch nicht behaupten, dass ich es so haben will. Im Grunde ist es beschissen.«
    Er rutscht auf seinem Korbstuhl herum. Er ist zu klein für ihn. Würden wir zusammenleben, würde ich ihm einen riesigen Sessel kaufen, in dem er sich ausbreiten kann. In der richtigen Physikergröße. Ausladend und einladend. Einen Sessel, in dem er sich zurücklehnen und schottisch gefärbte Reden schwingen kann. Ich   …
    »Wie war das Leben vorher?«, fragt er, ohne mich anzusehen. Seine unbeholfenen, sommersprossigen Hände scheinen einander |128| zu trösten. »Darf ich das fragen, nachdem Sie meinem, hm, emotionalen Analphabetismus gegenüber so nachsichtig waren?«
    Als unsere Blicke sich begegnen, begreife ich, dass er es wirklich wissen möchte. Ich habe darüber nachgedacht, wie ich es ihm sagen soll. Aber Bethany lässt mir keine Ruhe. Was weiß sie über mich, oder was glaubt sie zu wissen? Was hat sie ihm an jenem Nachmittag in Oxsmith erzählt?
    »Unten im Regal im Wohnzimmer liegt ein Fotoalbum. Wenn Sie es holen, zeige ich es Ihnen.«
    Darin sind Fotos von meinen Eltern, von Pierre und seiner Frau mit den Zwillingen, von meinem Vater im Pflegeheim und von mir selbst und Alex. Ich merke, dass der Physiker nach den richtigen Worten sucht, als er mich in der Welt von vorher sieht. Damals war ich eine Frau. Glücklich und aufrecht und lächelnd, in den Armen eines Mannes.
    »Na ja, sehr groß waren Sie nie«, bemerkt er. Ich lächle. »Wer ist der Glückliche?«
    »Ach, das ist vorbei.« Es soll beiläufig klingen, tut es aber nicht.
    »Waren Sie verheiratet?«
    Durch eine Lücke im Geländer sehe ich einen Lieferwagen von Ikea vorbeifahren. Ich stelle mir ein Hochbett für Kinder vor und die Bauanleitung mit dem Inbusschlüssel. Hier begibt sich jemand auf gefährliches Terrain. »Ich nicht. Er schon.« Ein weißer Lieferwagen. Dann ein Motorrad. Und ein VW Passat. »Alex hatte einen Saab. Die sind angeblich sehr sicher. Dunkelblau. Hinten war ein Kindersitz mit einer kleinen eingebauten Rassel. Er hatte zwei Kinder. Wenn man sich im Wagen küsste und versehentlich den C D-Spieler einschaltete, ertönte ›Tuff tuff tuff, die Eisenbahn‹.«
    »Oh.«
    »Wenn Alex und ich im Bett waren, nahm er den Ehering ab. Sehr rücksichtsvoll. Doch sie war immer noch da, unsichtbar, aber präsent. Er hatte einen hellen Streifen, wo sonst der Ring saß.«
    Man gewöhnt sich an, das Schmerzliche zu zensieren. Es gibt |129| noch immer Dinge, die ich dem Physiker nicht erzählen kann, das hier reicht fürs Erste. Wie soll ich ihm sagen, was ich mir selbst nicht sagen kann? Er sieht mich eindringlich an, als merke er,

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