Endzeit
regelmäßig vulkanische Aktivität gibt. Auch das dürfte keine große Überraschung sein.«
»Der Unterschied besteht darin, dass du ihnen genaue Daten nennen kannst.«
»Ja, schon, aber falls Bethany recht hat, werden sie es als Zufall abtun, und wenn sie sich irrt, bin ich angeschmiert. Dann weise ich im PS noch darauf hin, dass die Trübsal – religiösen Fanatikern auch als Endzeit oder siebenjährige Hölle auf Erden bekannt, die mit einer himmlischen Luftbrücke der Gläubigen, der sogenannten Entrückung, beginnt – auf den 12. Oktober datiert ist. Leider wissen wir nicht, worin diese Trübsal besteht oder wo sie zuschlagen wird.«
»Auf den Nachsatz kannst du verzichten. Das sind Wissenschaftler. Ich würde Gott aus der Sache rauslassen.«
»Na schön, weg mit ihm, aber was mache ich mit der Tatsache, dass diese vage und gleichzeitig bombensichere Vorhersage einer Naturkatastrophe von einer kindlichen Psychopathin stammt, die ihre eigene Mutter ermordet und einen Mitinsassen beinahe mit einem Stück von Skandinavien kastriert hat? Übrigens kann ich ihren Namen aus Gründen des Patientenschutzes leider nicht nennen, werte Kollegen.«
»Also lassen wir das auch weg.«
Er seufzt. »Ohne wissenschaftliche Beweise, um es zu untermauern … Denk dran, was mit Joy McConey passiert ist.« Er faltet Origami-Figuren aus seinen Notizen.
»Willst du dich aus der Sache herausreden?«
Seine Finger halten inne, er lächelt. Der grüne Fisch in seinem Auge leuchtet auf. »Nein, meine kleine rollende Sexgöttin. So rede ich mich in die Sache hinein.«
Einen Moment lang sitzen wir schweigend da.
»Als du Bethany kennengelernt hast und ich euch in meinem Büro allein gelassen habe, hat sie etwas zu dir gesagt«, beginne ich schließlich. »Und das hat dich unglücklich gemacht.«
|165| Die Wirkung meiner Worte ist weit dramatischer, als ich erwartet habe. Frazer Melville springt auf und bietet mir ganz höflich Kaffee an, als würden wir einander nicht kennen, als würden wir nicht seit zwei Stunden hier sitzen, als hätten wir nie miteinander geschlafen. »Gar kein Problem, ich kann welchen machen«, sagt er und deutet auf eine wenig vertrauenerweckende Kaffeemaschine in der Ecke.
»Da habe ich wohl einen wunden Punkt getroffen«, sage ich ruhig. »Komm, setz dich wieder hin.«
»Es war gar nichts«, sagt er und kehrt zögernd zu seinem Stuhl zurück. Dabei rutscht er ein bisschen von mir weg und vergrößert den Abstand zwischen uns.
»Den Eindruck hatte ich aber nicht. Mein Gefühl sagt mir, dass sie etwas zu dir gesagt hat, dem du dich nicht stellen oder über das du nicht sprechen möchtest. Vielleicht musst du das aber.« Er betrachtet seine gespreizten Finger. Ich rücke näher heran, was ihm nicht zu gefallen scheint.
»Einmal hat Bethany nach der EKT mein Handgelenk umfasst, als wollte sie meinen Puls fühlen. Und dann hat sie Dinge über mich – über meinen Autounfall – gesagt, die sie unmöglich wissen konnte. Ich kann mir das einfach nicht erklären.« Nun ist es heraus.
»Du brauchst es mir nicht zu erzählen«, sagt er rasch. »Falls es schmerzlich für dich ist.«
Jemand ist gestorben. Sie hatten zwei Herzen, und dann war eins weg. Sie haben nie herausgefunden, wie es gewesen wäre, mit Ihnen beiden.
»Das ist es. Und auch sehr persönlich.«
Ich betrachte den grünen Fleck in Frazer Melvilles linker Iris. Ein winziger tropischer Fisch, der sich in sein Auge geschlichen hat. Ich sehne mich nach ihm.
»Gabrielle, ich würde dich niemals nach etwas fragen, über das du nicht sprechen möchtest. Ich hoffe, du vertraust mir. Wir können uns Zeit lassen.«
»Das weiß ich. Ich habe es auch nur deshalb erwähnt, weil ich |166| glaube, dass sie etwas Ähnliches mit dir gemacht hat. Stimmt’s? Wusste sie etwas Persönliches?«
Er nickt niedergeschlagen und schaut mich unergründlich an. Seine Augen wirken glasig. Ist es Angst, Verwirrung, Schuldbewusstsein? Oder etwas anderes?
»Du brauchst mir nicht zu sagen, was es war«, fahre ich rasch fort. »Aber ich – sie hat dich doch verunsichert, weil sie etwas Persönliches wusste?«
»Ja, das stimmt.«
Ich warte. Das kann ich gut.
»Aber es ging nicht um mich«, murmelt er. »Es ging um … jemand anderen. Jemanden, an dem ich sehr hänge. Den ich um nichts in der Welt verletzen möchte.«
Obwohl es absurd ist, auf die Vergangenheit eines Menschen eifersüchtig zu sein, werde ich rot. Frazer Melville hat nicht viel über Melina
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