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Endzeit

Endzeit

Titel: Endzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Jensen
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keine einzige falsche darunter, kann man nicht mehr als Zufall bezeichnen. Oder als gut geraten.«
    »Und das heißt?«
    »Wir suchen nach einer wissenschaftlichen Erklärung.« Er atmet tief ein und wieder aus. »Es klingt weit hergeholt, ist aber immerhin eine Hypothese. Der wir nichts anderes   …«
    »Na los«, dränge ich. Bethanys Liste hat mich weit mehr aus der Fassung gebracht, als ich zugeben mag.
    |162| »Keines dieser Ereignisse geschah aus heiterem Himmel. Der Tag, an dem ein Vulkan ausbricht oder ein Hurrikan vorbeizieht oder sich ein Erdbeben ereignet oder ein Geysir auftaucht, ist immer der Höhepunkt eines langen Prozesses. In manchen Fällen kann er Jahre dauern. Wir müssen in der Meteorologie und Geologie ganz andere zeitliche Maßstäbe anlegen. Eine Wetterfront kann sich beispielsweise eine Woche oder noch länger zusammenbrauen, bevor sie sich gewaltsam entlädt. Das Erdbeben von Istanbul wurde sogar seit Jahren erwartet, da der Druck an der Bruchlinie ständig zunahm. Gehen wir mal davon aus, dass Bethany ansonsten nicht erkennbare Signale – wir können sie als Vibrationen bezeichnen – auffängt, die auf Ereignisse hindeuten, die schon im Entstehen begriffen sind. Sagen wir, dass sie jedes Mal eine Zunahme des Drucks spürt, ob nun atmosphärisch oder unterirdisch. Und dann vermuten wir weiter, dass sie irgendwie in der Lage ist, den Zeitraum bis zum Eintreten des Ereignisses sehr genau zu bestimmen. Ebenso den Ort, an dem es stattfindet. Für ein Mädchen ihres Alters kennt sie den Globus ziemlich gut. Doch ist es in jedem Fall wohl eher Instinkt als Wissen. Man weiß, dass sich der Druck an der Bruchlinie, der das Erdbeben in Istanbul ausgelöst hat, stetig nach Osten bewegte. Im Grunde geht es immer um tiefere Erdstrukturen, die sich in einem bestimmten zeitlichen Rahmen verschieben. Und Bethany kann diese Druckveränderungen irgendwie spüren.«
    »Einfach instinktiv?«
    Er schüttelt den Kopf. »Nein, es muss einen Grund dafür geben. Eine physikalische Verbindung zwischen Bethany und diesen   … Phänomenen. Vielleicht eine Art Magnetismus oder sogar Schallwellen.«
    »Weiter.«
    »Zugvögel können sich an Magnetfeldern orientieren, um ihre Richtung zu finden. Tiere nehmen vieles wahr, was Menschen entgeht.« Ich erinnere mich, dass Dr.   Ehmet einen Vergleich mit Katzen und Hunden gezogen hat, um Bethany Kralls Verlangen |163| nach der EKT zu erklären. »Falls es in fünfzig Kilometern Entfernung einen Erdstoß gäbe, würden viele Spezies das spüren. Nehmen wir also einfach mal an, dass die EKT Bethany eine besondere Sensibilität verleiht, mit der sie Energiefluktuationen spüren kann. Ein Bewusstsein dafür, wenn natürliche Abläufe stark genug gestört werden, um ein radikales Ereignis hervorzurufen.«
    »Das klingt ziemlich weit hergeholt. Als Theorie ist es mir aber trotzdem lieber als die Vorstellung, dass Bethany womöglich eine Art New-Age-Öko-Hellseherin ist. Fragt sich nur, wie weit es geht. Wozu ist es gut? Und wie passt das ganze biblische Zeug über die Trübsal ins Bild?«
    Frazer Melville schüttelt den Kopf. Meine Gedanken rasen. Joy schien zu glauben, der Schlüssel läge bei Bethanys Vater. Sollte ich mir vielleicht eine Predigt von Leonard Krall anhören, um Einblick in die Entstehung ihrer Visionen zu gewinnen?
    Zuerst aber muss ich Frazer Melville etwas fragen, das mir seit dem Tag, an dem er sich mit Bethany unterhalten hat, auf den Nägeln brennt. Eine heikle Sache. Ist dies der richtige Zeitpunkt? Vielleicht sind wir noch nicht bereit für persönliche Geständnisse. Doch die besonderen Umstände verlangen auch besondere Ehrlichkeit. Frazer Melville drückt meine Hand. Eine winzige Geste der Nähe, die mir Zuversicht schenkt.
    »Wann fangen wir an, es den Leuten zu sagen?«
    »Es geht nicht nur um das Wann, sondern auch um das Was. Und das Wem. Und das Wie. Ich meine, angenommen, ich erzähle dem angesehenen niederländischen Meteorologen Cees van Haven völlig zusammenhanglos vom nächsten Hochwasser in Bangladesch – der lacht mich doch aus. Und dass Indien mit einem weiteren Wirbelsturm zu rechnen hat – das ist ja ganz was Neues. Dann schreibe ich Melina eine E-Mail , dass Hongkong von Stürmen heimgesucht werden wird, die Brände auslösen – sie wird glauben, ich sei durchgedreht. Dann erzähle ich einem chinesischen Vulkanologen von einem Ausbruch in Samoa. Nun ja, |164| Samoa liegt in den pazifischen Randgebieten, in denen es

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