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Endzeit

Endzeit

Titel: Endzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Jensen
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Wassers toben in Kowloon weitere Brände, ausgelöst von Gasexplosionen.
    »Du musst mir sagen, was los ist«, sage ich und deute zum Fernseher. »Davon mal abgesehen.«
    »Gestern hat mich der Leiter meines Instituts angerufen. Ihm gefällt es nicht, dass ich wissenschaftlich unbegründete Behauptungen äußere.«
    »Wegen der E-Mails an deine Kollegen?«
    »Seiner Ansicht nach habe ich meinen universitären Status missbraucht. Er ist noch von der alten Schule.«
    |190| »Und wie lautet die Strafe?«
    »Das übliche Kaltstellen, nehme ich an. Aber ich warte nicht ab, bis ich es herausgefunden habe. Ich habe ihn um ein sechswöchiges Sabbatical gebeten.«
    »Hat er zugestimmt?«
    »Mit geradezu beleidigendem Eifer.« Sein Lächeln wirkt trostlos. »Niemand will mit mir über diese Brände sprechen, nicht einmal inoffiziell.« Er deutet zum Fernseher. »Ich bin Persona non grata.«
    »Und Harish Modak?«, frage ich. Unbehagliches Schweigen, das ich als Nein deute. »Und im Netz?«
    »Dort verbreitet es sich wie die Vogelgrippe.« Er braucht nicht eigens zu sagen, dass dies eher Fluch als Segen ist.
    »Also werden die Wissenschafts- und Nachrichtenjournalisten es früher oder später aufnehmen.« Wir verweilen einen Moment bei dem Gedanken. »Und jetzt?«
    »Wir fahren nach London und zwingen die Leute, die etwas bewegen können, uns zuzuhören.«
    »Aktivisten?«
    Achselzucken. »Der letzte Ausweg ist eben der letzte Ausweg.«
    »Meinst du, dass sie anders reagieren?«
    Er greift nach einer Flasche Whisky und seufzt tief. »Das weiß ich nicht.« Die Schwerkraft scheint sein Gesicht herunterzuziehen. »Möchtest du einen Drink? Ich genehmige mir einen.« Mit unsicherer Hand gießt er sich ein Glas ein, kippt es in einem Zug hinunter und schenkt nach.
     
    Der nächste Morgen ist grau, endlich hat es sich ein bisschen abgekühlt. Auf den Feldern und Hecken und den von der Industrie spendierten Kreisverkehren leuchtet es rot und orange und dunkelgrün. Eigentlich ist es schon der zweite Herbst in diesem Jahr. Der erste ließ die Blätter an den Bäumen welken, und die Sonne brachte das Obst schon im Mai zur Reife. Jetzt fallen noch mehr Blätter, Rosskastanien platzen auf, und die Hecken sind |191| mit rot reifenden Hagebutten, Tollkirschen und Weißdorn gepunktet. Ich bin immer allein Auto gefahren, den Rollstuhl zusammengeklappt auf dem Beifahrersitz, und es fällt mir schwer, mich daran zu gewöhnen, dass jemand neben mir sitzt. Vor allem jemand, der so erschöpft und verkatert aussieht wie Frazer Melville. Ich habe gemerkt, dass er gestern Abend zu viel getrunken hat, konnte ihn aber nicht davon abhalten. Und gestattete mir auch nicht, meine fast schmerzhafte Sehnsucht nach körperlicher Intimität zu signalisieren. Habe ich seinen Freiraum respektiert, oder war ich einfach nur feige? Es schien, als hätte er meine Gegenwart fast vergessen, und ich war zu unsicher, um die Initiative zu ergreifen. Außerdem, fiel mir ein, liegt sein Schlafzimmer im ersten Stock.
    Nun aber hat die Tatsache, dass wir nicht miteinander geschlafen haben, Unbehagen in mir geweckt. Hinzu kommt das schwierige Thema, über das wir in den ersten zwanzig Minuten der Fahrt diskutiert haben: wie viel wir von Bethany preisgeben sollen. Ich habe darauf bestanden, dass ihre Anonymität nicht angetastet werden darf. Außerdem, argumentierte ich, würde es unsere Glaubwürdigkeit kaum erhöhen, wenn wir erklärten, unsere Quelle sei Insassin einer Nervenheilanstalt. Das gesteht er mir zu, erklärt aber, dann sei er ratlos. Wenn er Bethanys Erkenntnisse über die Turbulenzen nicht als Ergebnis der EKT präsentieren darf, fehlen ihm wissenschaftliche Belege, um seine Theorie bezüglich der Empfänglichkeit für geologische und meteorologische Vibrationen zu untermauern. Schließlich gelangen wir zu einer fragilen Übereinkunft, doch unsere wortlose Fahrt beweist, dass wir unglücklich und gestresst sind. Nach allem, was geschehen ist, haben wir uns anscheinend nicht mehr viel zu sagen. Er hat wiederholt erklärt, wir hätten letztlich nichts zu verlieren. Und daher auch keine Wahl, nachdem Harish Modak uns abserviert hat. Uns bleibt nichts anderes übrig, als Umweltorganisationen, die nicht mit den Planetariern verbunden sind, unser Anliegen vorzutragen. Frazer Melville, BA, MA, PhD (sowie verschiedene |192| andere Abkürzungen), hat seinen Job praktisch verloren, und ich stehe auch kurz davor. Falls sein Schweigen Optimismus angesichts unserer Mission

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