Endzeit
funktioniert.«
»Eine Zeit lang. Aber dann hat sie einfach eine Gabel in eine Steckdose gesteckt, wohl wissend, dass sie dabei sterben könnte. Ich bin bereit, die Verantwortung für die EKT zu übernehmen. Ich habe damals die Formulare unterzeichnet, weil es mir die richtige Behandlungsmethode zu sein schien. Es gab auch eine Verbesserung. Jetzt aber ist der Schuss nach hinten losgegangen, und ich gestehe meine Niederlage ein. Jedenfalls dachte ich, Sie sollten Bescheid wissen, da Sie ihre letzte Therapeutin waren. Sobald sie das Krankenhaus verlassen kann, ist sie nicht mehr unsere Patientin.«
»Oder unser Problem.«
|197| Er lächelt knapp. »Wortklauberei. Es ist keine Schande, zuzugeben, dass die Behandlung von Bethany Krall einer unserer eklatantesten Fehlschläge war.«
»Wie lange wird man sie im Krankenhaus behalten?«
»Bis die Verbrennungen heilen. Nehmen Sie sich morgen frei. Sie sehen schrecklich aus.«
Nach der Arbeit rufe ich meinen Physiker an. Es ist besetzt. Ich beschließe, zu ihm zu fahren und ihm alles zu erzählen. Ich hoffe, dass wir die Nacht durchmachen und die Spannung, die durch unsere katastrophale Fahrt nach London entstanden ist, mit einer Sitzung im Bett vertreiben werden. Ich brauche Sex. Mit Frazer Melville. Ich brauche seine Arme.
Ein Jogger mit drei langbeinigen Hunden an der Leine trabt an Frazer Melvilles Haus vorbei. Ich finde einen Parkplatz unmittelbar gegenüber. Im Wohnzimmer brennt Licht. Ich will gerade seine Nummer wählen, damit er mir die Treppe hinaufhilft, als ich noch einen Blick zum Haus werfe. Wieso, weiß ich nicht. Aber genau da sehe ich sie. Sie ist groß und trägt Jeans und steht am Fenster und schaut heraus. Blond. Schlank. Jung. Als ich kam, war sie noch nicht da. Nun aber ist sie wie ein schrecklicher Springteufel im Haus des Physikers aufgetaucht. Ich sehe, wie er aus der Küche kommt. War sie auch dort drin? Hat er für sie gekocht? Mein Herz versucht eine Kehrtwendung, wie ein Betrunkener auf der Straße. Vergeblich. Es hält inne.
Die Frau scheint sich zu Hause zu fühlen.
Sie geht vom Fenster zum Sofa, wo sie sich zusammen hinsetzen, so nah, dass ihre Körper einander berühren. Sie schauen sich gemeinsam etwas an, haben die Köpfe über den Tisch gebeugt. Er will sie beeindrucken. Und sie denkt ernsthaft darüber nach. Sie hat die Macht.
Ich zittere nicht, ich bebe am ganzen Körper. Es hört einfach nicht auf.
Seine Ex-Frau, wird mir klar. Melina. Seit sie die E-Mail erhalten hat, macht sie sich Sorgen um ihn. Also ist sie hergeflogen. |198| Um sich um ihn zu kümmern. Sie sieht nicht griechisch aus. Ist sie keine Lesbe mehr? Will sie ihn zurückhaben? Will er sie?
Oder es ist doch nicht Melina. Eine andere Frau. Eine junge Kollegin. Eine seiner Studentinnen.
Haben sie schon gebumst?
Sie schlägt die Beine übereinander, und mich durchfährt giftiger, ungezähmter Neid. Sie kann auf ihren Beinen stehen, mit ihnen laufen, hinauf- und hinuntersteigen, sie kann sie spreizen, wenn er in sie eindringt. Ein trockenes Würgen sitzt mir in der Kehle.
Es ergibt einen Sinn, und der ist so offensichtlich, wie wenn man bei einem 3- D-Puzzle das letzte Stück einfügt, mit dem man stundenlang gekämpft hat.
Ich bin keine richtige Frau mehr und habe den Fehler gemacht, das Gegenteil zu glauben. Ich habe angenommen, es gäbe keine anderen Frauen in seinem Leben. Keine Frauen mit eleganten, schlanken und voll funktionstüchtigen Beinen, ob nun Melina oder sonst wer; Frauen, die mit Fug und Recht sexuelles Interesse erwarten und für die man ruhig ein paar Kilo abnehmen kann. Frauen, die aufstehen und auf dem Absatz kehrtmachen können, so wie sie es jetzt tut, die durch das Zimmer gehen, um die Bücher im Regal zu betrachten, als wollten sie bei ihm einziehen und überlegten nun, wohin ihre Sachen passen. Kann man vor Eifersucht sterben? Es fühlt sich jedenfalls so an.
Ich will gerade den Motor anlassen und verschwinden. Doch es geht nicht, denn der Physiker ist aufgesprungen und kommt ans Fenster.
Ich ducke mich, in panischer Angst, dass er mich entdecken könnte. Es ist unbequem. Mein Herz hämmert. Ich bin würdelos gekrümmt wie eine Büroklammer und habe Atemprobleme. Das ist doch absurd. Ich koche innerlich. Meine Brust ist ganz eng, meine obere Wirbelsäule tut weh, und ich zittere noch immer. Ich zwinge mich, tief neben dem Lenkrad zu verharren. Das Blut steigt mir in den Kopf. Meine Hände, mein Mund und meine Brüste |199| reichen ihm
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