Energie fur Centaur
seine Anwesenheit in
der Transportkolonne verhindern würde, daß etwas geschah.
Sie hatten empfindsame Biosensoren, und außerdem wußten
sie höchstwahrscheinlich, daß er den Transport begleitete, also.
Hatte Lim nicht noch einmal nachdrücklich versichert, daß
Leben nicht angetastet wird?
Es ging auf Mittag zu. Gernot aß eine Kleinigkeit, später
passierte die Wagenkolonne einen kleinen, mit Büschen
bewachsenen Hügelzug, dessen Anblick Gernot genoß. Von
dem aus ging es in eine Art Savanne hinein, eine flachwellige
Graslandschaft mit einigen Gesträuchgruppen, nirgendwo ein
Halt für das Auge. Das, die wärmenden Strahlen Alphas, die
jetzt seitlich in die Kabine schien, vor allem aber das monotone
Fahrgeräusch forderten ihren Tribut. Gernot wurde müde.
Warum sich wehren, dachte er, machte es sich so bequem, wie
es ging, und schloß die Augen.
Er wurde wach, weil sich um ihn herum etwas verändert
haben mußte. Er lag, starrte an die Kabinendecke, sinnierte.
Der Wagen schwankte wie ein Schiff. Und da sprang Gernot
plötzlich hoch! Keine Fahrgeräusche! Die Kolonne stand!
Die Kolonne stand nicht!
Gernot wollte es nicht fassen. Sein Denken kreiste um den
einen Satz: Das gibt es nicht!
Er flog! Nein, die Kolonne flog – aber auch das stimmte nur
zum Teil.
Deutlich sah er links unter sich die Straße mit den zwei
Leitstreifen. Schräg vor ihm, schon im Abstand von zwei- bis
dreihundert Metern, fuhren drei Wagen, das Leitfahrzeug,
gefolgt von zwei anderen. Der übrige Teil der Kolonne befand
sich mit ihm in der Luft und entfernte sich im Augenblick in
einem weiten Rechtsbogen von der Straße, etwa zwanzig Meter
über dem Boden.
Nur allmählich wurde sich Gernot seiner Lage bewußt. O ja,
ich habe recht gehabt! Lim hält sein Versprechen, schont
Leben, schont mich! Da vorn fahre ich friedlich der Werft zu!
Hinter einer Bodenwelle geriet im selben Augenblick der
Leitwagen außer Gernots Sicht. Hat sich was mit Biosensoren.
Kleiner Scherz, Lim, wie? Der Mensch Gernot Wach wird sich
wundern, wenn er ankommt mit nur einem Sechstel der
Ladung. Unterwegs wird er es gar nicht merken. Er wird
triumphierend hinter sich weisen im Gelächter der Gefährten…
Halt, Gernot! Du hattest doch den richtigen Riecher! Schließlich fahren die drei Wagen zur Werft, und das, weil du dich
nach Lims Meinung in einem von ihnen befindest. Also – es
muß eben jeder Wagen besetzt werden! Und das werden wir
tun, warte nur, Freundchen! Gernot frohlockte. Erst jetzt
konnte eine richtige Taktik entworfen werden. Rechtzeitig hast
du mich auf meinen Fehler aufmerksam gemacht, Lim!
Mein Fehler! Gernot spürte, wie die Angst nach ihm griff.
Der Flug der Wagen hatte sich beschleunigt.
Ich bin jetzt ein Teil der entführten Maschinerie, des
Schrotts. Was haben sie vor? Lims Versprechen schützt nicht
mehr. Panik bekroch Gernot. Eine Weile fühlte er sich unfähig,
vernünftig zu denken. Wirre Verzweiflung hielt ihn gepackt.
Selbstvorwürfe, Zorn, Schmerz und immer wieder Angst
kreisten in ihm.
Dann ergriff ihn der unwiderstehliche Drang auszubrechen.
Er riß die Tür auf, schauderte vor der Tiefe und Geschwindigkeit zurück. Der Flugwind ließ die Kleidung vibrieren.
Gernot ließ sich zurückfallen in die Kabine, vergrub das
Gesicht in den Händen. Und langsam kam Ruhe über ihn. Ich
lebe ja, lebe! Es war wie eine Erleuchtung. Irgendwo und
irgendwie wird der Flug enden. Dort wird sich alles entscheiden. Ich gebe nicht auf, Lim, nein, ich gebe nicht auf!
Und Gernots Gehirn begann wieder vernünftig zu arbeiten:
Sie können eine so schwere Wagenkolonne nicht kilometerweit
fliegen lassen, ohne sie unmittelbar zu leiten, ohne eine Station
zu haben, die dieses ungeheure flexible Feld erzeugt und
steuert!
Gernot blickte angestrengt nach unten. Bewaldete Hänge
zogen rasch vorbei, Felsen, Wadis wurden überquert. Aber
nichts war zu sehen, was auf die Anwesenheit von Centauren
oder wenigstens einer Maschine hingedeutet hätte.
Der Wagen neigte sich beängstigend. Gernot stand an der
Luke, bereit, abzuspringen. Aber sie bogen lediglich in eine
steile Rechtskurve ein. Gernot konnte deutlich den ersten
Wagen sehen – und da, hundert Meter vor ihm! Eine große
graue, langgezogene Walze schwebte dort. „Die Zugmaschine!“ erleichtert sprach es Gernot laut aus, obwohl sich mit
dieser Entdeckung seine Lage keineswegs veränderte. Nur,
Zusammenhänge wurden nun klarer.
Der Zug ging tiefer. Sträucher, Fels und Steine huschten jetzt
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