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Energie fur Centaur

Energie fur Centaur

Titel: Energie fur Centaur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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hatte.
    Noch nie hatte Gernot so unglückliche centaurische Augen
gesehen und so viel Freude, als er, eigentlich nur zwanzig
Minuten später als verabredet, am Landeplatz eintraf.
    Ein großer Berg Güter stapelte sich da, aus dessen Mitte das
Raumschiff wie ein tatarischer Kampfhelm hervorlugte.
Gernot war mit dem Wagen gekommen, hatte ihn aber
abgestellt und suchte Myn, ungewiß, ob er sie überhaupt
erkennen würde.
Und nach einer Weile erblickte er eine Centaurin, die auf
einer Kiste stand und ängstlich, beinahe verzweifelt den
Eingang fixierte.
Sie bemerkte ihn erst, als er neben ihr stand, zu ihr aufblickte
und „Myn?“ fragte.
Und da blitzte Freude in ihren Augen…
Nun, er freute sich auch über das Mitgebrachte. Aber die
starke Gefühlswelle bei ihr schien ihm deswegen unangemessen. Schließlich konnte es ihr wohl gleichgültig sein, wann er
sich die Freude des Austeilens der Geschenke machte. „Entschuldige“, sagte er, „die Arbeit…“
„Ja, die Arbeit steht bei den Menschen über allem!“ Aber sie
lachte und schwang sich von dem Behälter.
Sie ist alt, diese Myn, sehr alt, dachte Gernot. Das hervorstechendste Merkmal centaurischen Alters: ein abgeklärter Blick,
doch auch wie ledrig wirkende Haut, die gelblich aussah wie
der ungesunde Teint eines früheren irdischen Rauchers. Als
abschreckendes Beispiel von Langzeitvergiftungswirkungen
wurde die Unsitte des Rauchens in den Schulen noch immer
erwähnt, obwohl diese früher verbreitete Sucht auf der Erde
längst keine Rolle mehr spielte.
Als hätte sie seine Gedanken erraten, sagte sie: „Ja, Gernot“,
sie ließ den Zunamen weg im Gegensatz zu den meisten
Hiesigen, wohl ein Zeichen, daß sie viel Kontakt mit Menschen
gehabt hatte.
„Ich bin Angehörige der ersten Welle, der
Invasoren, wie ihr sagtet, die auf eurem Mars einfielen…“
Wie sie das sagte! Gernot war, als müsse er sich schämen,
obwohl sie eine Zeit ansprach, die mehr als zwei Jahrzehnte
zurücklag, ihn also nicht betraf. Aber ich bin ein Mensch.
Jeden Menschen betrifft es… Es war ihm noch nie so deutlich
geworden wie jetzt in der Konfrontation mit dieser alten Myn.
Im Kontakt mit einer anderen Zivilisation ist nichts ungeschehen zu machen. Jeder Schritt ist nicht lange genug zu überdenken…
Aber da forderte Myn auf: „Komm, es eilt!“
Was konnte schon eilen? fragte sich Gernot. Aber dann sah
er es: Myn verhandelte erregt mit einem Ordner, wies ab und
an auf zwei große metallene Container, auf die ein Kran
kleinere Kisten setzte.
Myn hatte den Übersetzer abgeschaltet.
Plötzlich sprach der Ordner Gernot an: „Du bist der Mensch
Gernot Wach.“ Aber es war keine Frage, eine Feststellung, die
über Myns Automaten kam. „Also, wenn du unbedingt deine
Fracht sofort haben mußt, werde ich es einleiten.“ Er blickte
großmütig. „Es stört etwas den Ablauf.“ Jetzt lächelte er sogar.
„Aber wenn du plötzlich brauchst, was sechs Jahre unterwegs
war – Menschen sind eben doch merkwürdige Wesen.“
Ein centaurischer Witzbold, dachte Gernot. Er war außerordentlich überrascht. Und nur die bittenden Augen Myns
bewegten ihn, sein Erstaunen nicht zum Ausdruck zu bringen
und der Großmut dieses Ratsordners einen Dämpfer zu
versetzen. „Ich wäre dir dankbar“, sagte er sogar.
Aber wirklich dankbar blickte Myn.
Allmählich kam Gernot die Sache mit den Containern nicht
recht geheuer vor. Als sich der Ordner entfernt hatte, um seinen
Kran anzuweisen, die Behälter frei zu stapeln, fragte er
vorsichtig: „Feierst du nicht, Myn? Um die Fracht kann sich
doch einer von hier kümmern…“
„Die Feier hat noch nicht begonnen.“ Sie blickte weg. „Und
ich bin für die Fracht verantwortlich.“
„Aber wenn wir den Ärmsten hier alles durcheinanderbringen, es hätte vielleicht noch Zeit gehabt.“
„Das sind keine Menschen, Gernot! Frühestens in einer
Woche würden sie dir das Deine zustellen.“
Das mochte so sein oder nicht. Sie hatte ihn hierherbestellt,
um die Eile zu legitimieren. Das war geschehen. Nun würden
die Container noch heute geöffnet werden können. Und das
war natürlich etwas durchaus Erfreuliches.
Ein langer Feldschlitten rückte an, und der Ordner dirigierte
seinen Kran, daß er darauf die Container hievte.
„Sie werden am Abend bei euch sein“, sagte Myn. „Dank,
daß du gekommen bist…“
Ich bin entlassen. Sie hat die Container – nicht ich. Ich bin,
entlassen. Na schön! Er zögerte, wollte sich langsam entfernen.

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