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Engel auf Abwegen

Engel auf Abwegen

Titel: Engel auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Linda Francis
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konnte.
    An jenem Tag führte meine Großmutter die Frau, von der sie glaubte, sie sei wieder einmal eine von den kurzen Affären meines Vaters, in den Empfangsraum. Aber sie sollte eine Überraschung erleben.
    Tante Cordelia und mein Onkel Robbie und dessen Frau stießen zu ihnen, um Tee zu trinken. Die kleine Gruppe saß in dem eleganten Zimmer mit der hohen Decke, den erlesenen Vorhängen und den vielen Möbelstücken, die kaum in das Zimmer passten. Ein Hausmädchen in Dienstkleidung brachte ein Tablett, und zur Überraschung meiner Mutter schenkte Felicia Hildebrand den Tee ein.
    »Erzählen Sie uns, meine Liebe«, sagte Felicia, nachdem sie meiner Mutter die zerbrechliche Tasse gereicht hatte, die meiner Tante zufolge in der Hand meiner Mutter zitterte, »aus welchem Teil von Texas kommen Sie?«

    »Dallas.«
    »Highland Park?«
    Wenn dem nur so gewesen wäre. Highland Park war eine Enklave alten Geldadels und eine der wenigen Adressen, die Felicia Hildebrand für akzeptabel erachtete.
    »Nein, Ma’am. Ich komme aus einem kleinen Ort außerhalb von Dallas namens Burserville.«
    Das kam nicht besonders gut an, und ein Hauch von Unerwünschtheit schwebte durch den Raum. Meine Mutter war immer schon ziemlich einfühlsam gewesen, und ich kann mir vorstellen, wie verlegen sie war. Ihre Wangen waren bestimmt genauso rot wie die Rosen auf ihrem JC-Penney-Kleid.
    »Nun, wer ist denn Ihre Familie, meine Liebe?«
    Mir ist unbegreiflich, warum meine Mutter nicht einfach gelogen hat. Vielleicht hätte sie es getan, wenn mein Vater nicht, kurz bevor sie zum Haus der Hildebrands gegangen waren, ihr Gesicht in seine starken Hände genommen und ihr versichert hätte, dass seine Familie sie genauso lieben würde, wie er sie liebte. Bis heute hält sie hartnäckig daran fest, dass dem so war.
    Meine Mutter erzählte den Hildebrands von ihrer Familie, von Daisy Jane und Wilmont Pruitt und ihren acht Kindern. Es klingt wie eine Filmszene aus der schlimmen Zeit der Wirtschaftskrise, aber es stimmt.
    Meine Mutter muss sich zusehends unwohl gefühlt haben, als sie dort im Empfangszimmer saß. Aber endlich war die Teezeremonie beendet, und meine Mutter dachte wohl, dass die Sache nicht allzu schlecht gelaufen war. Aber das wäre zu einfach gewesen.
    Mein Vater musste seine Geschichte erzählen, wie sich die beiden kennengelernt hatten. (Ich schwöre, er hat meine
Mutter nur deshalb geheiratet, um seine Mutter verrückt zu machen.) Meine Mutter wollte ihn davon abbringen, aber davon wollte niemand etwas wissen. Thurmond Hildebrand quatschte drauflos, und meine Mutter starb tausend Tode, als er sagte, sie sei Serviererin in der Cafeteria der Universität gewesen.
    Seine Mutter ließ diese Nachricht kalt. Sie stand auf und dankte meiner Mutter dafür, dass sie gekommen war. Alle gingen, und meine Tante blieb. Gerade als meine Mutter entfliehen wollte, hörte sie Felicia Hildebrand sagen: »Sie irren sich, wenn Sie glauben, Sie könnten meinen Sohn dazu bringen, Sie zu behalten.«
    An dieser Stelle der Geschichte erinnerte sich Tante Cordelia daran, mit wem sie es zu tun hatte. Sie streckte ihren Arm aus, drückte meine Hand und sagte: »Gott hat an jenem Tag seine Hand über uns gehalten, denn wie hätten wir unsere süße kleine Fredericka sonst bekommen?«
    Nachdem meine Tante mir versichert hatte, dass die Hildebrands mich liebten – und ich fühlte mich immer von meiner strengen Großmutter geliebt, ungeachtet dessen, was sie für meine Mutter empfand -, kam der peinlichste Teil der Geschichte. Sie erzählte, wie Felicia Hildebrand in die Halle ging, wo mein Vater wartete, und ihm sagte, dass er beim Dinner am Samstagabend neben Roslyn Lindsay sitzen würde. Sie erwarte von ihm, dass er die Tochter aus gesellschaftlich hochangesehenen Kreisen zum Dinner abhole. Dies war keine Frage, sondern ein Befehl, als würde ihr Sohn genau das tun, was sie sagte.
    Und dann erzählte mein Vater ihr von seiner Neuigkeit.
    »Mutter, ich hole Roslyn nicht ab, und ich werde auch nicht neben ihr sitzen.«

    »Thurmond, in diesem Punkt gibt es keine Diskussionen.«
    Anscheinend brachte meine Großmutter diese Sache so in Rage, dass alle außer meinem Vater einen Schritt zurücktraten.
    »Du holst Roslyn ab, und damit Schluss.«
    »Mutter, Mutter, Mutter«, sagte er lächelnd, was der Beweis dafür war, dass mein Vater sich amüsierte. »Ich dachte, du wolltest auf jeden Fall einem Streit aus dem Weg gehen.«
    »Was soll denn das heißen?«
    »Mama,

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