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Engel auf Abwegen

Engel auf Abwegen

Titel: Engel auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Linda Francis
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konnte. Ich sah eine Mauer aus Lehmziegeln, die um einen kleinen Komplex herumführte, und ein Tor, das Unbefugten ein Zeichen gab, draußen zu bleiben. Ich hatte Glück, denn das Tor stand offen. Es kam mir vor, als wäre ich in einer völlig fremden Welt gelandet.
    Der Innenhof war eine Mischung aus Terrakottaziegeln und neu angepflanztem Rasen, und mittendrin sprudelte ein Brunnen. Der Komplex war hübsch und erinnerte an
das neunzehnte Jahrhundert. Die antiken Motive wurden leider durch einige große Kunstwerke, die hier und dort herumstanden, verdeckt. Je mehr ich von den Arbeiten dieses Mannes sah, desto neugieriger wurde ich.
    Ich stieg aus dem Auto und ging zur Haustür. Es gab keine normale Klingel, nur eine alte Glocke an einem Seil. Ich zog daran, und das Läuten hallte von der Mauer wider. Ich wartete. Als niemand erschien, läutete ich erneut.
    Es war Anfang März, und die Hitze hatte bereits begonnen. Die Luft war von dem intensiven Geruch nach Studentenblumen und Geißblatt erfüllt, und irgendwo in der Ferne wurde Holz verbrannt. Mitteltexas ist bekannt für seine riesigen Bäume, die für alle möglichen herrlichen Grillgerichte benutzt werden. Wenn Ihnen irgendjemand einmal einen auf Mesquite-Holz gegrillten Hummerschwanz anbietet, können Sie sich wirklich darauf freuen. Er ist einfach köstlich.
    Ich würde gern sagen, dass es der Gedanke an eine auf Mesquite-Holz gegrillte Mahlzeit war, der mich zum Hintereingang des Hauses trieb, aber ich fürchte, es hatte eher mit meiner Hartnäckigkeit zu tun. Ich gebe zu, dies ist eine ungehörige Eigenschaft, die ich gern zu verbergen versuche.
    Ich ging um die Seite des Hauses herum und betrat den Hinterhof. Dort empfing mich ein Feuerwerk an Farben, hervorgerufen durch den klaren blauen Himmel, das grüne Gras, die perfekt getrimmten Blumenbeete, die Steinmauern und die Skulpturen. Ein Garten voller traditioneller und moderner Kunstwerke. Ich war noch mehr beeindruckt.
    Neben dem Garten befand sich ein weiteres Haus. Die Tür stand offen, aber von drinnen kamen keine Geräusche. Auf Zehenspitzen trippelte ich durch das Gras (ich wollte
die Aufschläge meiner Seidenhose nicht mit Morgentau benetzen) und spähte ins Innere des Hauses. Meine Augen brauchten einen Augenblick, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Und dann sah ich ihn.
    Ja, genauso dramatisch war es.
    Er stand an einem Zeichentisch aus Holz. Seine Hände ruhten auf der rauen Oberfläche, sein Kopf war gesenkt, als wäre er im Gebet versunken oder erschöpft oder als meditiere er. Nirgendwo war etwas zu sehen, das an Arbeit erinnerte. Es musste wirklich ermüdend sein, unhöfliche Nachrichten auf Anrufbeantworter zu brüllen.
    »Hallo!«, rief ich. »Mr. Jackson?«
    Er richtete sich auf und drehte sich zu mir herum.
    Ich möchte eines klarstellen. Dieser Mann wäre zweifellos in die »A Shame – Was für eine Schande-Kategorie« von Männern einzuordnen, weil sein gutes Aussehen verschwendet war. Er war ein besonderes Exemplar – groß, dunkelhaarig und auf markante und gar nicht schwule Art attraktiv. Er sah aus wie Anfang dreißig, und Ausdrücke wie »klein«, »tuntig« und »schreckhaft« schienen auf ihn nicht zuzutreffen. Obwohl, was wusste ich eigentlich, ich hatte noch nie zuvor einen schwulen Mann getroffen, zumindest keinen, von dem ich wusste, dass er schwul war.
    Als wäre sein A-Shame-Status noch nicht schlimm genug gewesen, verspürte ich bei seinem Anblick einen Anflug von Geilheit, obwohl ich das nicht gern zugebe. Aber besser, Lust auf einen schwulen Mann zu verspüren als auf einen heterosexuellen, weil ich ja noch verheiratet war. Das machte die Lust ziemlich ungefährlich.
    Interessant.
    »Sawyer Jackson?«, fügte ich hinzu, als er nicht antwortete.

    Keine Reaktion.
    Er sah mich von oben bis unten an (er hätte ohne weiteres einige Lektionen über gute Umgangsformen vertragen können) und lehnte sich gegen einen Pfosten, als wäre er gerade bei einem Casting für den Marlboro-Mann. Seine Jeans hingen ihm auf den Hüften, sein Hemd war aufgeknöpft und entblößte eine schön gemeißelte nackte Brust (es gab so viel zu lernen, und ich hatte so wenig Zeit!), und ich rief mir ins Gedächtnis, dass er Männern zugeneigt war.
    Obwohl er mich auf dem Anrufbeantworter angeblafft hatte, wartete ich auf den Augenblick, in dem ihm einfallen würde, mit wem er es zu tun hatte. Man hielt ihn für schwer erreichbar, aber ehrlich gesagt, wer konnte mir schon widerstehen? Beim

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